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Design Thinking für die berufliche Bildung?!

Ich beschäftige mich seit Beginn meiner Mitarbeit am IBL mit der Frage, ob und wie Design Thinking in der beruflichen Bildung einen Nutzen entfalten kann. Zu diesem Zweck habe ich ein Seminar aufgebaut und inzwischen sieben Mal durchgeführt, in dem ich mit Studierenden Bildungsinnovationen erarbeite, am liebsten mit konkreten Fragestellungen aus berufsbildenden Einrichtungen. Inzwischen konnten wir für etliche Berufskollegs im Münsterland Beiträge liefern.

Über die gemachten Erfahrungen habe ich in einem JOTED-Beitrag sowie einer englischsprachigen Publikation berichtet, am 14.8.20 gibt es einen online Vortag zu diesem Thema von mir im Rahmen des fhuture-Programms, der frei zugänglich ist. Hierzu sind Sie/bist du herzlich eingeladen! Die Association for the Advancement of Computing in Education (AACE) hat mich darüber hinaus im Nachgang zu meiner Publikation interviewt und mir Fragen zu weiterführenden Arbeiten, aber auch konkrete praktische Erfahrungen, zu Design Thinking gestellt. Das englischsprachige Interview hat meine Mitarbeiterin Victoria Cejas ins Deutsche übersetzt und ist nachfolgend veröffentlicht. Das originale Interview kann hier abgerufen werden.

Design Thinking für deutsche Berufsschulen? Entdeckung eines innovativen Ansatzes durch das Testen in der Lehrerausbildung: Autoreninterview
Design Thinking bietet einzigartige Möglichkeiten zum Lernen in verschiedenen Bildungssituationen, einschließlich deutscher Berufsschulen, wie eine Studie von Marc Krüger belegt. In der Studie konnte Krüger Empfehlungen für Design Thinking an deutschen Berufsschulen geben sowie eine Schulung zum Design Thinking für Berufsschullehrer aufbauen. Er diskutiert diese Studie im Rahmen der aktuellen Ausgabe „Design Thinking for Education“ im DeGruyter Open Access Journal „Open Education Studies“.

Wie haben die Berufsschullehrer ihre Ausbildung im Design Thinking wahrgenommen? Wie haben die Studierenden ihre Erfahrungen mit Design Thinking wahrgenommen?
Die Studierenden erleben DT im ersten Moment als einen methodischen Bruch, weil sie meist sehr planungsorientiert ausgebildet wurden. Darüber hinaus ist es zuerst ungewohnt so eng in einem Team zusammenzuarbeiten. Im Verlauf der Challenges spüren sie dann jedoch die Wirkung der anderen Herangehensweise und messen ihnen einen hohen Wert zu.

Was bedeutet der Einsatz von Design Thinking im Bildungskontext im Allgemeinen? Was ist konkret mit deutschen Berufsschulen?
Das erste was wir lernen mussten war, dass wir für unsere Bildungsinnovationen erfahrungsgemäß nicht die eine großartige Idee identifizieren können, sondern dass meist viele gute Ideen zu einem größeren Konzept zusammengeführt werden müssen. Dies deutet sich häufig schon bei der Synthese an: Nicht eine Persona führt zu einer Bildungsinnovation, sondern häufig zwei, manchmal drei und – selbstredend – manchmal ist eine Persona als Darstellung des Problemraums nicht zielführend. Kreativphasen und die Erstellung von Prototypen laufen deswegen nicht linear ab, sondern die Teams oszillieren häufig zwischen diesen beiden Phasen hin und her. Für die Präsentation des Prototypens haben wir darüber hinaus die Erfahrung gemacht, dass die immanente Komplexität der Bildungsinnovation meist mehr als eine Darstellungsform, z.B. Rollenspiel und Mockup, diesen zugänglicher macht.

Auf welche praktischen Weise können Lehrer und Schulleitung beginnen, Komponenten des Design-Denkens in ihre Lehrpläne aufzunehmen?
Für uns stellt sich die Frage anders, denn das Curriculum wird im berufsbildenden Bereich vorgegeben. Hier können wir gut beobachten, dass mit jeder Novellierung von Lehrplänen eine Innovationskompetenz zunehmend eingefordert wird. Design Thinking ermöglicht es aus unserer Sicht diese Kompetenz in einer besonderen Art und Weise zu fördern. Hierauf bereitet unser Seminar unsere Studierenden systematisch drauf vor. Für in der Praxis stehende Lehrer empfiehlt es sich, sich selbst in DT ausbilden zu lassen. Ein Wochenendseminar ermöglicht es einem in die Rolle des Kreativen zu schlüpfen und eine (Bildungs-)Innovation zu erarbeiten. Für den Unterricht lassen sich inzwischen viele frei zugängliche Lernmaterialien identifizieren (z.B. Design Thinking for Educators), auch in der deutschen Sprache (z.B. Hopp Foundation und Bau deine Zukunft). Damit lassen sich Challenges mit Schülerinnen und Schülern gut durchführen.

In dem Artikel erwähnen Sie, dass für das Sommersemester 2020 ein neues Seminar geplant ist. Wie läuft das Seminar? Darüber hinaus erwähnen Sie, wie wichtig es ist, Follow-up-Bewertungen mit Berufsschulen hinsichtlich der Verwendung von Design Thinking in ihren Programmen durchzuführen. Haben Sie die Gelegenheit gehabt, eines dieser Follow-ups durchzuführen? Wenn ja, was haben Sie von ihnen gelernt?
Das Sommersemester 2020 ist speziell, weil es aufgrund der Corona-Pandemie als online Seminar durchgeführt werden musste. Das scheint erstaunlich gut zu gelingen, wobei für eine finale Bewertung die letzten beiden Sitzungen noch ausstehen. Tatsächlich hat sich auch die Befragung von Schülern und Lehrern über eine Videokonferenz als praktikabel erwiesen, weshalb wir sehr zuversichtlich sind, was die Qualität der Ergebnisse angeht. Die Follow-up Evaluation sind wir bis jetzt noch nicht stringent angegangen, haben aber immer wieder die Gelegenheit die Berufsbildenden Schulen zur Umsetzung der von uns erarbeiteten Bildungsinnovationen informell zu befragen. Aus diesen Gesprächen heraus lassen sich zwei Effekte benennen: Erstens, die Schulen benötigen recht viel Zeit die erarbeiteten Bildungsinnovationen umzusetzen, d.h. frühestens nach ein bis zwei Jahren entfaltet Design Thinking ihre Wirkung. Aus dieser Beobachtung heraus haben wir uns entschieden die Follow-up Evaluation noch abwarten. Der zweite Effekt betrifft die vorgestellte Bildungsinnovation an sich. Es scheint, dass die Schulen diese als Diskussionsgrundlage aufgreifen und entweder umformen oder weiterentwickeln, also mal mehr mal weniger verändern und so noch mehr auf ihre Bedürfnisse hin anpassen. Unsere Prototypen sind also alles andere als ein fertiges Produkt, sondern eher der Impulsgeber für Bildungsinnovationen. Vereinzelt werden unsere Prototypen auch nicht weiterverfolgt. Insgesamt offenbart die Follow-up-Frage nach wie vor ein spannendes Forschungsfeld.

An welchen Projekten arbeiten Sie gerade / freuen Sie sich?
Im Hinblick auf DT versuchen wir derzeit regional unsere Erfahrungen auszubreiten und die berufsbildenden Schulen von diesem Ansatz zu überzeugen. Darüber hinaus haben wir bei einigen Studierenden festgestellt, dass sie DT am Anfang sehr skeptisch gegenüberstehen, was die Teamarbeit belastet. Von 20 Studierenden sind das im Schnitt nur 2 Studierende, aber diese hemmen dann ein bis zwei Teams mit ihrer Challenge richtig loszulegen. Mit einem Persönlichkeitstest versuchen wir diese Studierenden zum Seminarbeginn zu identifizieren und ihnen ein entsprechendes Feedback zu geben. So hoffen wir sie zu einer konstruktiven Mitarbeit schon zum Seminarbeginn zu bewegen und den Start zu vereinfachen. Ob uns dies gelingen kann prüft derzeit eine Masterarbeit. Über DT hinaus beschäftigen wir uns seit einem Jahr mit Digital Flipcharts und wie diese kollaborative Lernprozesse im Seminar unterstützen können. Erste Ergebnisse haben uns jetzt sehr dabei unterstützt das DT-Seminar auch online anzubieten, denn die digitalen Werkzeuge auf den Flipcharts ließen sich gut für die online Teamarbeit aufgreifen.

Was steht als nächstes auf Ihrer Forschungs- und Veröffentlichungsagenda?
Die kommenden Publikationen werden die dargelegten Projekte der vorhergehenden Frage aufgreifen und die Ergebnisse zur Diskussion stellen.

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In-Class-Flip erfolgreich gestalten

Ich gebe zu, als sich der Flipped Classroom (auch als Inverted Classroom bezeichnet) in der ersten Hälfte der 2010er Jahren als Lehr-/Lernszenario verbreitete, war ich einerseits nicht überrascht, anderseits nicht sehr erbaut darüber. Überrascht war ich deswegen nicht, weil die Idee zur Verlagerung des Lehrerreferats aus dem Klassenzimmer in ein Video naheliegt: Der einmal aufgezeichnete Vortrag wird im Unterricht vom Video übernommen, der Lehrende muss dann nicht mehr referieren und hat Zeit, sich der Betreuung der Lernenden zu widmen – so die Idee. Es war zu erwarten, dass durch die einfacher werdende Produktion und Distribution von Videos gewiefte Kollegen dieses Lehr-/Lernszenario bei Zeiten für sich entdecken.

Als ich 2002 angefangen habe mich damit zu beschäftigen, gab es bereits einige Lehrende, die dies in der Hochschullehre ausprobiert (z.B. eTEACH von Foertsch, Moses, Strikwerda, Litzkow, 2002) und die Tücken dargelegt haben. Ein Problem ist, dass die Lernenden die Videos zuhause nicht anschauen, ein anderes, dass sich im Präsenzunterricht nicht die gewünschte Diskussion einstellt. Das Lehr-/Lernszenario wurde in den 2000er Jahren regelmäßig ausprobiert und es stellten sich immer wieder die gleichen Probleme ein (z.B. Demetriadis & Pombortis, 2007). Entsprechend bin ich nicht sehr erbaut gewesen, dass es auf einmal ohne Wenn und Aber gehypt wurde, auch wenn ich der Überzeugung bin, dass es gute – aber eher wissenschafts- oder fachdidaktische – Lösungen für die hier skizzierten Probleme gibt.

Auch ich habe mit dem Flipped Classroom experimentiert und die dabei gemachten Erfahrungen zum Anlass genommen, ihn weiterzuentwickeln. Dabei war es ein Anliegen in der häufig instruktional praktizierten Technikausbildung – Facharbeiter und Ingenieure gleichermaßen – Freiräume für das selbstgesteuerte und kooperative Lernen zu schaffen. Die Intention war entsprechende Kompetenzen durch selbstgesteuerte und kooperative Lernhandlungen zu fördern, was ich in meiner Dissertation sowohl quantitativ als auch qualitativ anhand von Videostudien untersucht habe (Krüger, 2011). Das hierbei entwickelte Lehr-/Lernszenario habe ich „VideoLern“ genannt, was für „auf Vortragsaufzeichnungen basierendes selbstgesteuertes und kooperatives Lernen steht.“ Es gleicht nach meiner Recherche dem Lehr-/Lernszenario „In-Class-Flip“, welches derzeit Verbreitung findet und als eine besondere Form des Flipped Classrooms zu bewerten ist.

Meine FuE-Arbeit hatte dabei das erklärte Ziel auf Basis des Design-based Research Ansatzes möglichst fundierte Empfehlungen für die Gestaltung von VideoLern zu erarbeiten, worauf ich mit diesem Beitrag hinweisen möchte. Denn diese Gestaltungsempfehlungen, aber auch die dargelegten Mehrwerte, das Didaktische Design sowie Praxisbeispiele finden sich in meiner Arbeit und bieten den Lehrenden beim „In-Class-Flippen“ wertvolle Hinweise für dessen erfolgreiche Durchführung.

  • Demetriadis, S. & Pombortsis, A. (2007). e-Lectures for Flexible Learning: a Study on their Learning Efficiency. Educational Technology & Society, 10 (2), 147-157.
  • Foertsch, J., Moses, G., Strikwerda, J. & Litzkow, M. (2002). Reversing the lecture/homework paradigm using eTEACH web-based streaming video software. Journal of Engineering Education, 91 (3), 267-274.
  • Krüger, M. (2011). Selbstgesteuertes und kooperatives Lernen mit Vorlesungsaufzeichnungen. Das Lernszenario VideoLern – Eine Design-Based-Research-Studie. Verlag Werner Hülsbusch, Boizenburg. Als Dissertation kostenlos hier abrufbar.
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Machbarkeitsstudie: Mögliche Entwicklungswege für ein MOOC-Angebot

Die Servicestelle „Offene Hochschule Niedersachsen“ (fortlaufend als OHN bezeichnet) hat Partner gesucht, die ihr mögliche Entwicklungswege für ein eigenes MOOC-Angebot aufzeigen können. Intention der OHN, eine entsprechende Machbarkeitsstudien in Auftrag zu geben, war prüfen zu lassen, inwieweit mit MOOCs nicht-traditionelle Studierende, ins besondere die Zielgruppe 3+3, für ein Studium gewonnen werden können. Auf diese Ausschreibung habe ich mich mit Annette Krekeler und Arne Kösling als Team erfolgreich beworben.

In der inzwischen abgeschlossenen Machbarkeitsstudie kommen wir zu dem Schluss, dass das MOOC-Angebot, die den MOOCs immanenten, hohen Abbrecherquoten vermeiden muss. Unserer Meinung nach können MOOCs die Zielgruppe nur zu einem Studium motivieren, wenn erfolgreiche Lernerlebnisse gesammelt werden. Wer entschließt sich schließlich schon für ein Studium, wenn er beim Schnupperstudium keine Erfolgserlebnisse hat? Damit bekommt das OHN-Vorhaben aus unserer Sicht eine andere Akzentsetzung: Weg von einer Sammlung von MOOCs, hin zu einem Informations- und Beratungsportal auf Basis von gut betreuten Open Online Courses (OOCs).

Die gesamte Machbarkeitsstudie haben wir als technischen Bericht in der TIB/UB veröffentlicht. Diese kann hier abgerufen werden. Vielen Dank an dieser Stelle der OHN für das entgegengebrachte Vertrauen und die Möglichkeit, unser Machbarkeitsstudie frei veröffentlichen zu dürfen.

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Herausgegeben: „E-Assessments in der Hochschullehre“

Im Rahmen des N2E2-Projektes haben wir mit unserem Projektträger, dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK), vereinbart auf einen Abschlussbericht zu verzichten und statt dessen unsere Erfahrungen zu E-Assessments in der Hochschullehre für Hochschullehrende, Entscheidungsträger aber auch eLearning-Experten zu verschriftlichen. Im Sinne des MWK ist es Ziel des von Markus Schmees und mir herausgegebenen Sammelbandes einen einfachen Einstieg in das Thema zu ermöglichen, praktische Erfahrungen unterschiedlicher Hochschulen sichtbar zu machen sowie Forschungs- und Entwicklungsperspektiven aufzuzeigen. Dieses Ziel haben wir im Untertitel deutlich gemacht: Einführung, Positionen & Einsatzbeispiele. Für das Inhaltsverzeichnis und die Zusammenfassung sei hier auf die Web-Site des Peter Lang Verlages verwiesen.

Ich glaube uns ist der – nicht ganz einfache – Brückenschlag von der Theorie zur Praxis zur Forschung durchaus gelungen. Das Werk gibt damit einen Ein- und Überblick zu den vielen Facetten von E-Assessment in der Hochschullehre. Für die Vertiefung des Themas liefern die einzelnen Beiträge umfassende Literaturhinweise.

Einer meiner beiden Beiträge setzt sich mit der Professionalisierung didaktischer Beratung auseinander und geht einen Schritt weiter, als mein vorletzter Blogbeitrag „Didaktische Videoclips – nicht nur für die Beratung„. Der Titel lautet: „Hinwendung zu einer professionalisierten didaktischen Beratung. Begründung, Erkenntnisstand und Einsatzbeispiel“. Hier habe ich versucht das Thema didaktische Beratung einzugrenzen und so für zukünftige Arbeiten vorzubereiten. Zur Info nachfolgend der englischsprachige Abstrakt:

„This paper departs from the fact that numerous institutions for higher education make use of education consulting in order to promote e-assessment activities in teaching. It turns out that, even if specific consulting is offered, teaching staff are reluctant to apply e-assessment strategies in their lectures. This raises the question if education consultants need a professional qualification. In this chapter, we argue that this question deserves an affirmative answer. Moreover, we give a definition of the term education consulting and demonstrate a best practice example. We conclude that education consulting is still a young discipline that needs scientific research as well as hands-on experience.“

Über Feedback sowohl zu meinem Beitrag als zum Sammelband würde ich mich sehr freuen. Lob, Tadel und/oder Ergänzungen können gerne im Blog veröffentlicht werden.

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Peru: Pontificia Universidad Católica del Perú

Vom 11.3. bis zum 12.4.13 war ich fünf Wochen an der Pontificia Universidad Católica del Perú, der Päbstlichen katholischen Universität von Peru mit Standort Lima. Dort habe ich als DAAD-Gastdozent gewirkt und im Departamento de Educatión viele Vorträge zu „E-Learning in Higher and Further Education“ gehalten. Über meine Aktivitäten und Eindrücke möchte ich in diesem Beitrag berichten:

Die Pontificia Universidad Católica del Perú (PUCP) ist eine private Einrichtung in kirchlicher Trägerschaft. D.h. auf der einen Seite muss sie alle ihre Kosten selber tragen, wirtschaftet aber auf der anderen Seite nicht Gewinn orientiert. Der Umsatz beträgt 200 M€ im Jahr, damit wird ein sehr schöner Campus von 414000 m^2 mit 380 Veranstaltungsräumen und 59 Laboren sowie 16 Kaffees, 4 Mensen, einem Sportplatz und einer Arztpraxis unterhalten. An der 1917 gegründeten PUCP studieren 22.000 Studierende, ein Drittel davon in einem der vielen Weiterbildungsstudiengänge. 2000 Dozierende und 2700 Mitarbeiter/Innen in Verwaltung und Technik kümmern sich darum, dass Bildung auf hohem Niveau angeboten wird. Die PUCP gehörte laut „QS World University Ranking“ im Jahre 2009 zu den 600 besten Universitäten der Welt und nimmt in Süd-Amerika damit einen Spitzenplatz ein. Im Vergleich dazu: Die Leibniz Universität Hannover liegt auf Platz 300-310.

Organisiert ist die PUCP in 10 Fakultäten und 14 Departments, womit aus deutscher Sicht die erste Besonderheit sichtbar wird. Während in den meisten deutschen Hochschulen die Fakultäten oder Fachbereiche sowohl für Forschung als auch für die Lehre zuständig sind, wird an der PUCP die Verantwortung geteilt: Die Fakultäten sind für die Lehre zuständig, sie evaluieren, welche Bildungsangebote am „Markt“ gefragt sind, sie schreiben die Curricular, sie organisieren die Dozierenden, den Stundenplan, die Räume, die Lernmaterialien, übernehmen die Imma- und Exmatrikulation und machen Werbung für die Studiengänge. Die Departments wiederum stellen die Lehrenden und sind für die Forschung zuständig. Die Idee die dahinter steckt hat mir gefallen. Die Fakultät kümmert sich um die Organisation, die Departments kümmern sich um das Wissen. Klar, die Darstellung die ich hier leiste ist idealisiert und in der Praxis ist die Arbeitsteilung öfters nachzujustieren. Das Ergebnis kann sich aber sehen lassen: Die Studierenden werden als Kunden behandelt und finden ein gut organisiertes und durchführbares Studium vor. Studiengebühren von 500-800 €/Monat fordern dies aber auch ein. Als Lehrbeauftragter werde ich im Wintersemester weitere Erfahrungen in dieser Struktur sammeln – im bin gespannt.

Eingeladen war ich vom Departamento de Educatión in dem 21 Dozierende in den Erziehungs- und Bildungswissenschaften tätig sind. Die Kollegen bedienen zwei grundständige und 17 aufbauende Studiengänge in der Entwicklungspsychologie, im Curriculum & in der Didaktik, in der Bildungspolitik & im -management, in der Bildung mit Informations- & Kommunikationstechnologien sowie Aus- & Weiterbildung von Lehrern. Unterstützt werden sie dabei von Lehrbeauftragten. Ein nettes Team die viel Spaß an der Lehre haben.

So gut wie die PUCP in der Lehre ist, so mäßig ist sie in der Forschung. Punktuell gibt es Leuchttürme, in der Fläche aber passiert nicht viel. Es fehlt hier an vielem: Zuerst an Erfahrungen – nur 1/5 der Kollegen ist promoviert – dann an Motivation – man identifiziert sich als Lehrender, nicht als Wissenschaftler – und zuletzt an einer finanziellen Förderung mit der größere Forschungsvorhaben realisiert werden können. Am ehesten orientieren sich die Kollegen in der Forschung an den spanischen Universitäten und promovieren oft dort aus der Ferne. Das scheint ein guter Ansatz zu sein, denn die großen spanischen Universitäten (z.B. UOC, UPV) sind Forschungs- und Lehrorientiert zugleich. Außerdem spricht man die gleiche Sprache, was den Spaniern den großen Süd-amerikanischen Bildungsmarkt leicht zugänglich macht. Wir haben für den Bereich „Bildung mit Informations- & Kommunikationstechnologien“ versucht eine Forschungsperspektive für das Department zu erarbeiten und gemeinsame Themen zu identifizieren, wobei ein für beide Seiten interessantes Thema gefasst werden konnte. Wenn das BMBF unseren Antrag statt gibt, dann werden wir daran gemeinsam arbeiten.

Äußerst begeistert war ich von der PUCP virtual, einer Serviceeinrichtung die für die Entwicklung von digitalen Lernmaterialien für die meisten Fakultäten zuständig ist. 45 Mitarbeiter/Innen kümmern sich dort um die äußerst professionelle Erstellung von digitalen Lernmaterialien. An einer Lerneinheit arbeiten Didaktiker, Designer, Web-Entwickler und Journalisten mit. Ein Traum, wenn ich denke, wie breit unsere Kollegen für solche Vorhaben aufgestellt sein müssen und das oft ganz alleine bewerkstelligen müssen. Inzwischen wurden 650 Lerneinheiten erstellt. So sehr ich dieses Angebot bewundere so sehr fällt aber auch auf, dass die PUCP eine starke Orientierung auf Lernmaterialien hat. Wie in der klassischen Fernlehre die Studienbriefe stehen sie im Vordergrund, nicht aber die persönliche Betreuung der Studierenden. Die immer wieder auftretende Frage, wie die Fernstudiengänge weiter verbessert werden können stand immer die gleiche Aussage von mir gegenüber: Ihr müsst eure Lehrenden besser in der Betreuung der Studierenden sowie in der eigentlichen Gestaltung des Lehr-/Lernprozesses qualifizieren. Das Bewusstsein dafür ist in der Zeit gewachsen, ich hatte aber den Eindruck, dass der natürliche Reflex dahingehend war, dass man lieber noch mehr in die Gestaltung der Lernmaterialien investieren möchte als in die Qualifizierung der Lehrenden. Vielleicht täusche ich mich aber auch.

Für mich waren es sehr bewegende Wochen, hab ich doch viel gelernt und mit sehr netten Kollegen zusammenarbeiten dürfen. Es war aber auch eine sehr anstrengende Zeit. Ständig bewegt man sich sprachlich zwischen Englisch, Spanisch und Deutsch. Außerdem ist neben den vielen Yo PUCPVorträgen und Meetings die Arbeit für die eigene Hochschule zu leisten. Trotzdem, ich hoffe unsere Kooperationen in Lehre und Forschung tragen Früchte und wir können diese weiter ausbauen.

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ZEITLast: 23 Zeitstunden Studium pro Woche?

Wir hatten am 6.5.11 die Ehre Prof. Rolf Schulmeister auf unserer Tagung „Gute Lehre, gutes Lernen“ zu Gast zu haben. Seine Anwesenheit war mit einer spannenden Keynote über das Thema „ZEITLast“ gekrönt. Schulmeister hat dort ausgiebig über die Ergebnisse jener BMBF-Studie berichtet, welche die tatsächliche zeitliche Inanspruchnahme des Studiums bei Studierenden erfasst hat. Die vielen interessanten Ergebnisse der Studie werden von einem zentralen Ergebnis überschattet: Gemäß der Studie studieren unsere Studenten im Schnitt 23 Zeitstunden pro Woche – deutlich weniger als vermutet. Mehr Infos zur Studie finden sich hier:

Schulmeisters Beitrag hat mir sehr gut gefallen, schließlich ist er ein toller Redner und die Offenlegung der Forschungsmethode schafft Übersicht. Die tägliche und dedizierte Erfassung der Lernzeit bei den Studierenden lässt auf ein solides Forschungshandwerk schließen. Ich vertraue folglich den vorgelegten Ergebnissen, zumal mir die Probleme der Studienzeiterfassung bei Studierenden aus eigenen Untersuchungen bekannt sind.

Ich möchte in diesem Beitrag aber nicht die Studie von Prof. Rolf Schulmeister, Christiane Metzger und weiteren Forschern wiedergeben, sondern danach fragen, was heißt es eigentlich 23 Zeitstunden pro Woche zu studieren? Ist studieren nur ein Halbtagsjob mit viel Freizeit?

Die Studie selbst zeigt sehr deutlich, dass unsere Studierenden das Studium als aufwändiger als 23 Zeitstunden pro Woche empfinden. Konfrontiert mit ihrer eigenen Lernzeiterfassung sind sie irritiert, da sie intuitiv deutlich mehr Zeit angegeben hätten (das ist im Übrigen jene Lernzeit, die von anderen Studien oft erfasst wird). Sie empfinden das Studium als Belastung, ja mintunter als äußerst stressig.

Denke ich an meine eigene Studienzeit, die ich ebenfalls durchaus als anstrengend empfunden habe, erinnere ich mich an einen Tag im zweiten Semester an dem wir 8 Unterrichtsstunden in Folge eine Mathematikvorlesung hatten. Das sind reell 6 Zeitstunden. Ich kann von mir und meinen Kommilitonen berichten: Danach geht nichts mehr. Bereits der vorletzte Vorlesungsblock ist mühselig, es bedarf einer äußersten Anstrengung den Ausführungen des Lehrenden zu folgen. Nach solch einem Tag haben wir nicht mehr gelernt.

Es scheint folglich so zu sein, dass die kognitive Belastung beim Lernen eine andere ist als einer routinierten Tätigkeit nachzugehen, ähnlich wie das Fliegen eines Überschallkampfflugzeugs oder das Unterrichten in der Schule. Denn beim Lernen müssen kognitive Strukturen verändert werden. Die Schlafforschung gibt uns Hinweise dazu, dass bei Lernenden im Säuglingsalter, aber auch bei Erwachsenen, Höchstarbeit geleistet wird.

Für mich stellen sich folglich andere Fragen: Was ist die kognitive Belastung, die Studierende ertragen? Führt diese zu nachhaltigem Lernen? Wie können wir die kognitive Belastung ggf. reduzieren – möglichst ohne auf Lernziele zu verzichten. Was heißt dies für die Lehre an einer Hochschule? Ein schlichter Vergleich der 23 Zeitstunden Lernzeit pro Woche mit einer tariflichen 40 Stundenwoche halte ich deswegen für abwegig.

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Pre-Print „Der Mehrwert von Vorlesungsaufzeichnungen als Ergänzungsangebot zur Vorlesung“

Click für Demo

Dem Einen oder dem Anderen habe ich sich schon von unserer Erhebung aus dem SoSe 2010 erzählt. Dort haben wir bei über 600 Studierenden und 10 Lehrenden in ebenso vielen Lehrveranstaltungen eine Studie durchgeführt, die den Mehrwert von Vorlesungsaufzeichnungen als Ergänzungsangebot zur Vorlesung erfasste.

In diesem Post stellen wir nun den Pre-Print (click zum Download) unserer Studie bereit. Die hier veröffentlichten Inhalte sind vorläufige Evaluationsergebnisse, denn derzeit überarbeiten wir noch den Text, insbesondere das Kapitels „4. Beantwortung der Forschungsfragen“.

Über Feedback im Allgemeinen und zur Darstellung der Evaluationsergebnisse im Speziellen sind wir deswegen sehr dankbar. Darüber hinaus suchen wir derzeit eine Zeitschrift, um die Evaluationsergebnisse möglichst vollständig veröffentlichen zu können. Angebote und Hinweise hierfür nehmen wir dankend entgegen.

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Dissertation online und/oder gedruckt!?

Am 1. Oktober 2010 hatte ich meine Verteidigung an der Universität der Bundeswehr (UniBW) in München. An dieser Stelle nochmal herzlichen Dank an meine Doktormutter Prof. Dr. Gabi Reinmann für die tolle Unterstützung und das entgegengebrachte Vertrauen!

Jetzt ist meine Arbeit veröffentlicht und das gleich zwei Mal. Zuerst hatte ich mich für die elektronische Publikation in der Bibliothek der UniBW entschieden. Das ist einfach, geht schnell und kostet nichts. Außerdem kann so jeder die Arbeit kostenlos herunterladen und damit arbeiten. Darüber hinaus ergab sich nach ein paar Wochen die Gelegenheit, meine Arbeit beim Verlag Werner Hülsbusch (vwh) in der Reihe E-Learning noch mal als gedrucktes Buch zu veröffentlichen. Im Zeitalter von Open Access stellt sich natürlich die Frage: Warum noch mal einen Verlag einbinden? Warum ein Buch drucken, wenn Download so einfach ist?

Ich kann beiden Varianten der Veröffentlichung etwas abgewinnen: Der Elektronischen aus den bereits genannten Gründen: Einfach, praktisch, billig und schnell. Auch ich habe während meiner Dissertation – aber auch als Student – gerne in elektronisch publizierte Dissertationen geschaut. Das ist praktisch, wenn einen nur ein Teilaspekt der Publikation interessiert (z.B. die thematische Eingrenzung oder das Forschungsdesign). Man hat einen schnellen Zugriff. Wenn man will druckt man sich die wichtigsten Inhalte aus und muss nicht das gesamte Werk kaufen oder leihen.

Will ich jedoch ein Buch gründlich lesen und dabei auch hin und her springen, dann finde ich es gedruckt und gebunden von der Handhabung her unschlagbar. Ich kann einfach einen Stift auf einer Seite liegen lassen, hinten blättern und schnell wieder vorne, z.B. in der Abbildung, was nachschauen. Darüber hinaus bleibt durch das Buch mein Rechner frei. Ich kann also Notizen in Word aufnehmen und habe dabei den Text trotzdem vor mir liegen. Beim Rechner müsste ich den PDF-Reader mit dem Text  wegclicken.

Auch hat ein Buch eine räumliche Dimension: Ich finde es im Regal schneller wieder als in meiner Ordnerhierarchie von PDF-Dokumenten (es steht nicht nur bei dem Thema XY sondern neben Z) und kann mir durch die Dicke besser merken, ob etwas am Anfang, in der Mitte oder am Ende stand. All diese physischen Erfahrungen habe ich mit einem PDF-Dokument nicht. Hinzu kommt, dass das lange Lesen an einem aktiv leuchtenden Bildschirm mühselig ist und die Körperhaltung nur bedingt geändert werden kann.

Der Hauptgrund aber, die Dissertation über einen Verleger (BTW: Ich kann den Verlag Werner Hülsbusch sehr empfehlen!) zu veröffentlichen, war, dass durch dessen Bewerbung sie auch an Personen herangetragen wird, die mich nicht kennen und/oder in dessen Kreisen ich mich nicht bewege. Darüber hinaus wird sie in der Reihe E-Learning veröffentlicht, so dass sie auch in den Kontext anderer  Arbeiten gestellt wird. Denn genau das ist es, was bei der Veröffentlichung auf dem Bibliotheksserver der UniBW nicht passiert.

So finde ich es immer noch sinnvoll Veröffentlichungen in Buchlänge auch zu drucken. Dem Leser steht es dann frei es am Bildschirm, auf dem iPad, auf dem Handy, ausgedruckt oder als gebundenes Buch – ob geliehen oder gekauft – zu lesen. Ich mache ungerne Prognosen, aber ich glaube das gedruckte Bücher uns in vielen Bereichen auch in Zukunft weiterhin beglücken werden. Abschließend stelle ich den an meiner Dissertation Interessierten vor die Wahl, online und/oder gedruckt (?):

  • Krüger, M. (2011) Selbstgesteuertes und kooperatives Lernen mit Vorlesungsaufzeichnungen: Das Lernszenario VideoLern – Eine Design-Based-Research-Studie. Verlag Werner Hülsbusch, Boizenburg
  • Krüger, M. (2010). Das Lernszenario VideoLern: Selbstgesteuertes und kooperatives Lernen mit Vorlesungsaufzeichnungen. Eine Design-Based-Research Studie. Download hier
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DBR: Warum Design-based Research?

Ich habe im Rahmen meiner Promotion ein Lernszenario entwickelt, welches das Medium Vorlesungsaufzeichnung (oder auch e-Lecture, d-Lecture, Lecture Recording, …) in eine möglichst selbstgesteuerte und kooperative Lernumwelt einbettet. Dieses Lernszenario heißt VideoLern (auf den Seiten Podcasts und Publikationen finden sich mehr Informationen). Am Anfang meiner Forschungsarbeit stand ich jedoch vor einem erheblichem Problem: Die klassische pädagogische Forschung sah eine wissenschaftlich fundierte Entwicklung entsprechender Lernszenarien nicht vor. Die Diskussion um mein Vorhaben drehte sich im Kreis: Ja, das ist ein nobles Vorhaben. Nein, das ist keine wissenschaftliche Fragestellung, denn Sie erforschen keine grundsätzlichen Fragen von Lehren und Lernen. Damit schien mein Vorhaben gescheitert.

Für mich war diese Haltung nicht nachvollziehbar, denn wenn sich pädagogische Forschung nicht der Lösung alltäglicher Bildungsprobleme widmen darf, was ist dann mit den Ingenieurswissenschaften oder der Medizin? Viele Arbeiten schöpfen dort ihre Forschungsfragen ja auch aus der Gegenwart: Wie gestaltet man energiesparende Prozessoren oder was sind die Ursachen für Alzheimer und wie begegnet man dieser Krankheit. Wissenschaftlichkeit wird hier daran gemessen, ob wissenschaftliche Methoden die Forschungsarbeit nachvollziehbar belegen und nicht daran, ob sie scheinbar grundlegende Fragen ihrer Disziplin klären.

Klar, das gibt es auch, macht aber eher einen kleinen Teil der Forschungsarbeiten aus. Darüber hinaus werden diese Fragen oft von Grundlagenwissenschaften geklärt, auf die diese Wissenschaften aufbauen. Für die Ingenieurswissenschaften sind das die Mathematik und die Physik, für die Medizin die Naturwissenschaften. Dies wirft für mich die Frage auf, was ist die Pädagogik? Aus meiner Sicht eindeutig eine sekundäre, d.h. verwertende Wissenschaft, die auf die Erkenntnisse der Psychologie und der Philosophie aufbaut. Gilt dann analog, dass alltägliche Problemstellungen auf Basis der Grundlagenwissenschaften geklärt werden können oder gar müssen?

Ich möchte diese Diskussion hier nicht weiter ausführen, sondern auf den Sammelband von Gabi Reinmann und Jochim Kahlert verweisen, die mit anderen renommierten Kollegen (Heinz Mandl, Robin Stark, Rolf Arnold, Ewald Kiel, Dieter Euler, …) diese und weitere Fragen diskutiert haben. Letzten Endes half mir mein Kollege Christoph Richter weiter, der sich als Psychologe mit der Fragestellung beschäftigte, was eigentlich geeignete Forschungsmethoden für die vielen MWK, BMBF und EU geförderten eLearning-Projekte sind. Er erklärte mir, dass Design-based Research (DBR) ein wissenschaftlicher Ansatz ist, mit dem Lernszenarien entwickelt werden können.

Hierfür betrachten die Vertreter des DBR-Ansatzes die Ergebnisse der grundlagenwissenschaftlichen Forschung in einem komplexen Wechselspiel des praktischen Unterrichts. Aus einem wissenschaftlichen Erkenntnisstand heraus sind die Lernszenarien zu gestalten (zu designen) und in der Praxis zu überprüfen. Das bedeutet, dass das Design eines Lernszenarios in einem Design-Experiment überführt wird. In Phasen von Design und Re-Design wird dann das didaktische Design Schritt-für-Schritt von Unzulänglichkeiten „befreit“.

Endgültiges Ziel ist es so genannte Design-Frameworks – ich habe es als Handlungsanleitungen für die Lehrenden interpretiert – herauszuarbeiten, anhand dessen das Lernszenario durchgeführt werden kann. Grundsätzlich finden sich inzwischen mehrere Forschungsarbeiten, die auf den DBR-Ansatz aufbauen. International kann eine Verbreitung dieses Ansatzes konstatiert werden, national scheinen sich unterschiedliche Fachdidaktiken sowie die Mediendidaktik dem DBR zu nähern. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass der DBR-Ansatz sich für die Entwicklung des Lernszenarios VideoLern gut bewährt hat.

Auch wenn ich mit dem Ergebnis zufrieden bin, wirft der DBR-Ansatz für mich jedoch noch viele forschungsmethodische Fragen auf. Hierzu dann in einem späteren Beitrag mehr.

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Gabi Reinmann / Joachim Kahlert: Der Nutzen wird vertagt …

Bildungswissenschaften im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlicher Profilbildung und praktischem Mehrwert

Gabi Reinmann und Joachim Kahlert stellen in ihrem Band Aufsätze vor, die das schwierige Verhältnis der Bildungswissenschaftlichen Forschung mit der Bildungspraxis beleuchten. Ausgangspunkt des Diskurses ist die These, dass Grundlagenforschung kleinteilig die Einflüsse auf den Lehr-/Lernprozess dokumentiert, der praktische Mehrwert für Lehrende jedoch oft auf der Strecke bleibt. Es wird festgestellt, dass für die Bildungswissenschaften keineswegs ein Forschungsdefizit, sondern vielmehr ein Umsetzungsdefizit der Forschungsergebnisse zu konstatieren ist. Die Ursache für dieses Problem sehen die Autoren in der Wissenschaft selbst: Eine Anerkennung der Leistungen in der Wissenschaftscommunity gibt es nur für empirische Forschungsergebnisse, Ergebnisse, die der Bildungspraxis dienen – auch wenn sie mit wissenschaftlichen Methoden erarbeitet wurden – finden wenig Anerkennung. Dies zieht sich durch alle Dimensionen des Wissenschaftsbetriebs, von der Forschungsförderung bis zur Berufung von Nachwuchswissenschaftlern. Entsprechend finden Wissenschaftler, die sich der Bildungspraxis zuwenden, wenig Anerkennung in der Forschung.

Der Sammelband fasst auf 223 Seiten insgesamt elf Beiträge. Neben den Herausgebern äußern sich Ewald Kiel, Rolf Arnold, Dieter Euler, Dominik Petko, Titus Guldimann, Robin Stark, Heinz Mandl, Petra Herzmann, Cort-Denis Hachmeister, Ulrich Fahrner, Antony Unwin, Theo Hug, Norm Friesen und Liam Rourke zur beschriebenen Problematik. Die Autoren beschränken sich dabei nicht nur auf die Problemanalyse, sondern zeigen unterschiedliche Lösungsvorschläge für praxisorientierte Bildungsforschung, die sie zum Teil seit Jahren selbst praktizieren, z.B. Starck, Mandl & Herzmann: „Ein integrativer Forschungsansatz zur Überbrückung der Kluft zwischen grundlagen- und anwendungsorientierter Forschung“. Mehrere Autoren nennen darüber hinaus Design-Based Research als einen internationalen Forschungsansatz, welcher der diskutierten Problematik der Bildungsforschung begegnen kann (Hug, Friesen, Rourke & Reinmann). Gabi Reinmann fordert abschließend die Bildungswissenschaften nicht nur an den Idealen naturwissenschaftlicher und geisteswissenschaftlicher Forschung auszurichten, sondern sich auch an der ingenieurswissenschaftlichen Forschung zu orientieren. Denn die Ingenieurwissenschaften haben gezeigt, wie erfolgreich eine verwertende Wissenschaft, basierend auf den Naturwissenschaften und der Mathematik, sein kann.

Die Ausführungen der renommierten Pädagogen lesen sich spannend, werfen unterschiedliche Perspektiven auf die fokussierte Problemstellung und zeigen verschiedene Lösungsansätze. Die Sprache ist klar, die Argumentationen schlüssig und ergebnisorientiert. Die Bedeutsamkeit des Themas macht dieses Buch zu einem Muss für jeden, der in der Bildungswissenschaft tätig ist.