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Machen, nicht klagen! Die digitale Absolventenfeier.

Ich habe es bis jetzt vermieden über die Corona-Pandemie zu schreiben. Erstens, weil Klagen nicht so meins ist und zweitens, weil ich denke: Wir gestalten alle unsere Lehr- und Forschungsaufgaben unter diesen Bedingungen mit mal ein wenig mehr, mal ein bisschen weniger Kreativität und hoffentlich einer guten Unterstützung der IT-Abteilungen. Was habe ich schon besonderes beizutragen? Jetzt aber doch ein paar Worte zu einem tollen Erlebnis:

Wir haben uns im IBL von Anfang an alle der Corona-Pandemie gestellt und versucht alles meist digital abzubilden, was wir in der Lehre leisten. Die Kollegen*innen waren selbst erstaunt, wie viel wir abfangen konnten ohne auch nur das Gefühl zu haben, dass wir große Abstriche machen müssen. Mir ist es ebenso ergangen. Und auch als ehemaliger Mediendidaktiker war es für mich ein Sprung ins kalte Wasser, wenn vielleicht auch nicht so kalt, wie für andere. Einer Situation haben wir uns letztes Jahr jedoch nicht gestellt: Unsere im Frühjahr alljährlich stattfindende Absolventenfeier digital abzubilden. Denn letztes Jahr waren wir noch mit der Umstellung auf online Lehre beschäftigt, wir haben außerdem gedacht: Was soll so eine Videokonferenz den Absolventen*innen und uns bringen?

Dieses Jahr wollten wir die Feier nicht nochmal ausfallen lassen, zu viel liegt uns an diesem Ereignis. Die Vorschriften waren jedoch eindeutig: Wenn wir feiern wollen, dann digital und das haben wir dann auch gemacht. Um mich hier nicht mit fremden Federn zu schmücken explizit der Hinweis: Die Kollegen*innen des IBL haben diese Veranstaltung hervorragend geplant und durchgeführt, ihnen gilt meine Anerkennung und mein herzlicher Dank. Es gab Tüten mit Hüten, Getränk und Leckerlies für jeden Studierenden, es gab Livemusik, kurze Reden, eine tolle Zusammenfassung des Studiums seitens der Studierenden und natürlich eine Würdigung jeder einzelnen Absolventin und jedes einzelnen Absolventen. Es war eine große Feier mit einer tollen Stimmung und einer in der Corona-Pandemie sich wiederholenden Erkenntnis: Machen, nicht klagen!

Wenn Sie einen kleinen Eindruck über die Feier(-stimmung) erhalten möchten, dann können Sie sich hier die Bildergalerie zu unseren digitalen Absolventenfeier 2021 anschauen. Und klar, für nächstes Jahr hoffen wir natürlich, wieder in Präsenz zusammenzukommen.

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Lernen & Lehren

Mehrere Silvester doziert

In Emden, wo ich zuerst studiert habe – also korrekt an der Fachhochschule Ostfriesland, wie sie damals hieß – gab es einen Aufkleber mit einem gerupften Vogel der mit „Mehrere Silvester studiert“ tituliert war. Diese Erinnerung ist Grundlage des Titels für diesen Beitrag, in dem ich darlegen möchte, wie man sich nach 9 Semestern Lehre als Hochschullehrer fühlt: Nun, wie bringe ich es auf den Punkt? Gut und gerupft zugleich. Aber eins nach dem anderen:

Ich hatte mich in Coburg nach 4 Semestern gerade eingelebt und am Aufbau eines neuen Studiengangs mitgewirkt, da ging es schon nach Münster. Hier hat sich mein Lehrgebiet nochmal völlig neu ausgerichtet, weil ich mit der Technikdidaktik sowie der beruflichen Lehrerbildung in Coburg wenig zu tun hatte. Von geschätzten 15 (ein wenig konnte ich aus Coburg aufgreifen) auf 100 % hatte ich 18 SWS Lehre in jeweils unterschiedlichen Modulen zu leisten, weil kein Seminar hier zweimal gehalten wird. Darüber hinaus war ich in den letzten Jahren überwiegend in der Mediendidaktik unterwegs, so dass ich einige Entwicklungen aus der Technikdidaktik sowie der Beruflichen Bildung nachholen musste. Ein großer Kraftakt, wenn man viel Lehre neu aufbauen und durchführen muss. Zwar habe ich jetzt nach 5 Semestern in Münster meine Seminare stehen, aber damit es meinen Ansprüchen genügt, fehlt immer noch einiges, bis ich sagen kann: Ich bin zufrieden.

Ehrlich gesagt, gehe ich davon aus, dass ich noch ein paar Semester dafür benötige, vielleicht 3 oder 4. Ich denke dann immer, warum dauert das so lange, als Hochschullehrer hast du doch „nur“ 30 Wochen Lehrveranstaltungen pro Jahr? Dann muss ich darüber schmunzeln, wenn ich mich daran erinnere, was ich als Student gedacht habe: Mensch, super, die haben 5 Monate im Jahr frei. Pustekuchen. Stattdessen gilt es in der lehrveranstaltungsfreien Zeit Prüfungen durchzuführen und zu benoten, Hausarbeiten zu lesen und zu bewerten, Studienabschlussarbeiten zu betreuen und zu bewerten, Praxissemester zu begleiten, (Re-)Akkreditierung abzuwickeln, Kontakte in die Berufskollegs zu suchen und zu pflegen, Projektanträge zu schreiben, Projekte durchzuführen, Studiengänge und Institut weiterzuentwickeln, Beiträge zur Wissenschaftscommunity beizusteuern und natürlich auf dem aktuellen Stand der Dinge zu bleiben, indem man liest oder auch mal auf eine Tagung fährt (Liste ohne Anspruch auf Vollständigkeit). Urlaub plane ich inzwischen weit im Voraus und habe von privater Seite währenddessen Arbeitsverbot, weil ich anfangs regelmäßig den Urlaubsbeginn verschoben habe und dann noch mit Arbeitsgepäck losgefahren bin. Ich bin dankbar, dass meine besser Hälfte limitierend eingreift.

Eine Erkenntnis, die über die Semester gereift ist: Viel Lehre ist anders als wenig Lehre. Ich habe viele Jahre an der Leibniz Universität Hannover gelehrt und das waren meist 2 SWS und mal eine Studienabschlussarbeit nebenbei. Hier habe ich formal 18 SWS wovon ich 5 themenbezogen Seminare durchführe, das Praxissemester, Examenskolloquium und Studienabschlussarbeiten betreue sowie dem Prüfungsamt vorstehe (letzteres ist keine Lehre, klar). Die vielen anderen Aufgaben habe ich bereits aufgelistet. Es ist schlichtweg nicht möglich sich in diesem Rahmen so auf die Studierenden einzulassen, wie man das mit 2 oder 4 SWS leisten kann. Diversität leben? Schöne Idee, sie kommt aber sehr schnell an ihre Grenzen. Trotzdem versuche ich jeden Einzelnen im Blick zu behalten und wenn ich merke, dass jemand mit seinem Studium hadert, suche ich das Gespräch und versuche bei einer Entscheidung zu unterstützen. Klar, am liebsten soll sie oder er bei uns weiterstudieren, aber manche Menschen sind hier auch einfach nicht richtig aufgehoben. Die Gespräche bringen erfahrungsgemäß viel, weil die Leute dann meist sehr motiviert weiterstudieren, selten bricht eine/r ab. Auch bringt es einiges, wenn jemand mit einer – wie soll man sagen – schwierigen Haltung studiert, z.B. immer nur auf „quick and dirty“ setzt. Über die Semester verändert sich aber auch der Blick, den man auf die Studierenden hat. Man lernt sie schneller einzuschätzen und – ja, ich gebe es zu – jede/r Einzelne wird eine/r von vielen, die man im Laufe der Zeit kennengelernt hat. Nachfolgende Abbildung von PHD Comics bringt es gut auf dem Punkt, wobei ich trotzdem versuche, jedes Individuum im Blick zu halten (besonders bei „meinen“ Technikern). In den größeren Seminaren bin ich aber längst beim Punkt „A Bell Curve“ angekommen. Muss man sich dafür schämen? Ich glaube es ist unvermeidbar, man sollte nur nicht so mit den Studierenden umgehen sondern jeden persönlich und auf Augenhöhe behandeln.

Quelle: https://twitter.com/phdcomics/status/977616951718670336

Über all die vielen Aufgaben macht es mir Spaß, als Hochschullehrer zu arbeiten und es ist abwechslungsreich und spannend zugleich. Man könnte einiges effizienter machen, es würde dann aber auf die Qualität gehen. Gerade die Lehre bietet das größte Optimierungspotenzial, wenn man nicht noch mal die x-te Rückmeldung z.B. zu einer Studienleistung gibt. Auf der anderen Seite merkt man, dass eine gute Betreuung der Studierenden zu guten Leistungen führt, die dann wieder Beiträge für die Wissenschaftscommunity vorbereiten oder unterstützen können. Auch bin ich der Meinung, dass wir als LehrerInnenbildner eine gute Lehre vorleben sollten. Denn was bringt es, wenn ich hier theoretisch darlege, wie guter Unterricht aussieht, dies aber selber nicht einlöse. Dann habe ich zwar das Wissen vermittelt, das Können sowie die passende Haltung jedoch nicht gefördert. LehrerInnenbildung beinhaltet also große Verantwortung und dafür darf man sich am Ende des Semesters auch gerupft fühlen 😉

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Forschen Lernen & Lehren

In-Class-Flip erfolgreich gestalten

Ich gebe zu, als sich der Flipped Classroom (auch als Inverted Classroom bezeichnet) in der ersten Hälfte der 2010er Jahren als Lehr-/Lernszenario verbreitete, war ich einerseits nicht überrascht, anderseits nicht sehr erbaut darüber. Überrascht war ich deswegen nicht, weil die Idee zur Verlagerung des Lehrerreferats aus dem Klassenzimmer in ein Video naheliegt: Der einmal aufgezeichnete Vortrag wird im Unterricht vom Video übernommen, der Lehrende muss dann nicht mehr referieren und hat Zeit, sich der Betreuung der Lernenden zu widmen – so die Idee. Es war zu erwarten, dass durch die einfacher werdende Produktion und Distribution von Videos gewiefte Kollegen dieses Lehr-/Lernszenario bei Zeiten für sich entdecken.

Als ich 2002 angefangen habe mich damit zu beschäftigen, gab es bereits einige Lehrende, die dies in der Hochschullehre ausprobiert (z.B. eTEACH von Foertsch, Moses, Strikwerda, Litzkow, 2002) und die Tücken dargelegt haben. Ein Problem ist, dass die Lernenden die Videos zuhause nicht anschauen, ein anderes, dass sich im Präsenzunterricht nicht die gewünschte Diskussion einstellt. Das Lehr-/Lernszenario wurde in den 2000er Jahren regelmäßig ausprobiert und es stellten sich immer wieder die gleichen Probleme ein (z.B. Demetriadis & Pombortis, 2007). Entsprechend bin ich nicht sehr erbaut gewesen, dass es auf einmal ohne Wenn und Aber gehypt wurde, auch wenn ich der Überzeugung bin, dass es gute – aber eher wissenschafts- oder fachdidaktische – Lösungen für die hier skizzierten Probleme gibt.

Auch ich habe mit dem Flipped Classroom experimentiert und die dabei gemachten Erfahrungen zum Anlass genommen, ihn weiterzuentwickeln. Dabei war es ein Anliegen in der häufig instruktional praktizierten Technikausbildung – Facharbeiter und Ingenieure gleichermaßen – Freiräume für das selbstgesteuerte und kooperative Lernen zu schaffen. Die Intention war entsprechende Kompetenzen durch selbstgesteuerte und kooperative Lernhandlungen zu fördern, was ich in meiner Dissertation sowohl quantitativ als auch qualitativ anhand von Videostudien untersucht habe (Krüger, 2011). Das hierbei entwickelte Lehr-/Lernszenario habe ich „VideoLern“ genannt, was für „auf Vortragsaufzeichnungen basierendes selbstgesteuertes und kooperatives Lernen steht.“ Es gleicht nach meiner Recherche dem Lehr-/Lernszenario „In-Class-Flip“, welches derzeit Verbreitung findet und als eine besondere Form des Flipped Classrooms zu bewerten ist.

Meine FuE-Arbeit hatte dabei das erklärte Ziel auf Basis des Design-based Research Ansatzes möglichst fundierte Empfehlungen für die Gestaltung von VideoLern zu erarbeiten, worauf ich mit diesem Beitrag hinweisen möchte. Denn diese Gestaltungsempfehlungen, aber auch die dargelegten Mehrwerte, das Didaktische Design sowie Praxisbeispiele finden sich in meiner Arbeit und bieten den Lehrenden beim „In-Class-Flippen“ wertvolle Hinweise für dessen erfolgreiche Durchführung.

  • Demetriadis, S. & Pombortsis, A. (2007). e-Lectures for Flexible Learning: a Study on their Learning Efficiency. Educational Technology & Society, 10 (2), 147-157.
  • Foertsch, J., Moses, G., Strikwerda, J. & Litzkow, M. (2002). Reversing the lecture/homework paradigm using eTEACH web-based streaming video software. Journal of Engineering Education, 91 (3), 267-274.
  • Krüger, M. (2011). Selbstgesteuertes und kooperatives Lernen mit Vorlesungsaufzeichnungen. Das Lernszenario VideoLern – Eine Design-Based-Research-Studie. Verlag Werner Hülsbusch, Boizenburg. Als Dissertation kostenlos hier abrufbar.
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Infos Lernen & Lehren Meinungen Projekte

Von der HS Coburg zur FH Münster

Im letzten Jahr ist in diesem Blog nicht viel passiert, trotzdem hat sich für mich einiges verändert. Der Titel sagt es schon: Ich verlassen nach mehr als zwei Jahren zum 30.9. das Wissenschafts- und Kulturzentrum (WiKu) der Hochschule Coburg und gehe an die Fachhochschule Münster, dort genau zum Institut für Berufliche Lehrerbildung (IBL). Stellt sich die Frage: Warum?

Auch wenn ich mich am WiKu wohl gefühlt habe und das BMBF Qualitätspakt Lehre Projekt „Coburger Weg (CoW)“ nach wie vor eine sehr interessante Aufgabe darstellt, habe ich mich nach anderen Professuren umgeschaut. Ausschlaggebend hierfür war, dass eine bei der Berufung angedeutete Verstetigung der BMBF finanzierten Professuren und LfbA nicht annährend in Sichtweite lag. Mehr noch, es wurde meinen Kollegen/innen und mir (für mich nach einem halben Jahr meiner Ankunft) kommuniziert, dass wir unsere Stellen nach 2020 über Drittmitteleinwerb finanzieren sollten. Für eine Forschungsprofessur ist das sicherlich eine gängige Vorgehensweise, aber, wenn man neben der ordinären Lehre an einer HAWK (18 SWS) mit der didaktischen Projektbegleitung des CoW sowie der Organisationsentwicklung des WiKu beauftragt ist, eine ziemlich ernüchternde Perspektive. Denn für das Drittmitteleinwerben benötigt man Zeit, die man nicht hat, wenn man mit täglichen Klein-Klein sowie mit hochschulpolitischen Auseinandersetzungen beschäftigt ist. Darüber hinaus fand ich keine Zeit mehr zum Publizieren, geschweige denn die Erkenntnisse unser täglichen Arbeit zusammenzutragen. Meine Abstinenz in diesem Blog, auf den gängigen Tagungen sowie die fehlenden Publikationen zeugen von diesen Rahmenbedingungen. Ich kann es nicht anders sagen, aber ich fühlte mich in einer Falle und mir blieb nur der Sprung nach vorne und das war sich weiter zu bewerben. Soviel zu mir.

Grundsätzlich lässt sich in vielen BMBF Qualitätspakt Lehre Projekten eine hohe Personalfluktuation beobachten, die der zu leistenden Qualitätsverbesserung der Lehre aus meiner Sicht nicht zuträglich ist. Denn mit jedem Mitarbeitenden, die oder der geht, geht auch ein Teil des Know-hows, welches langsam und mühselig aufgebaut wurde. Jeder Weggang wirft deren Aufgabenbereiche schnell um ein, zwei Jahre zurück. Ich habe Projektaufgaben kennengelernt (nicht nur im CoW), die kommen durch die hohe Personalfluktuation nicht von der Stelle, da ständig neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingearbeitet werden müssen. Es ist klar, dass nicht alle BMBF-finanzierten Stellen in Dauerstellen überführt werden können, aber nach der ersten Förderphase – immerhin 5 Jahre Projektlaufzeit – muss eine Hochschule z.B. für bewährte Lehr- und Serviceaufgaben ein klares Statement abgegeben, ob und wie sie das zukünftig fortführen will. Die zweite Förderphase des BMBF wäre hier eine gute Möglichkeit gewesen, diese Statements seitens des Projektträgers wie folgt einzufordern: Ja, wir fördern euch nochmal vier Jahre, wenn ihr XY-Stellen verstetigt, die wir euch trotzdem in der zweiten Projektförderung noch finanzieren. Die Hochschulen hätten dann vier Jahre Zeit freiwerdende Stellen umzuwidmen.

Ich weiß, beim Qualitätspakt Lehre reden auch die Bundesländer mit und die verbitten sich eine Einmischung in ihre Autonomie der Hochschulentwicklung. Auf der anderen Seite haben die Projekte aber ein so großes Fördervolumen, dass die Hochschulen sowie Bundesländer unmöglich in der Lage sein werden, Ende 2020 nur die Hälfte der Personalaufwendungen zu übernehmen, wenn sie sich darauf nicht vorbereitet. Ich weiß auch, ich mache mich mit den folgenden Zeilen nicht beliebt, aber wenn eine Qualitätspakt Lehre finanzierte Hochschule nicht sehr bald einen Plan aufstellt, welche Stellen sie verstetigen will und wie sie das finanziert wird, dann kann ich den BMBF finanzierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hier nur raten: Sucht euch etwas anderes, sonst sitzt ihr 2020 mit ganz vielen weiteren Kollegen/innen beim Arbeitsamt. Ich möchte betonen, dass ich diese Empfehlung hier nicht aus Frustration gebe, dass man meinen Erwartungen bezüglich einer möglichen Verstetigung nicht entsprochen wurde. Meine Berufung an die Hochschule Coburg hat mich sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf meine Laufbahn durchaus weitergebracht und dafür bin ich dankbar. Die Aussage entspringt vielmehr meinen Erfahrungen der letzten 15 Jahre mit Hochschulentwicklungsprojekten. Und die besagt, je größer eine Projektförderung war, desto wahrscheinlicher, dass es abrupt beendet wird.

Am IBL werde ich übrigens nicht mehr interdisziplinäre Lehrveranstaltungen durchführen, sondern die Fach- und Technikdidaktik der gewerblich-technischen Fächer vertreten. Eine Aufgabe, auf die ich mich sehr freue. Hochschuldidaktische Fragen werde ich dann mehr für mich und dies mit dem Ziel der beruflichen Lehrerbildung verfolgen, mediendidaktische Fragen aber nicht außen vorlassen. Und hoffentlich bleibt mir zukünftig dann auch wieder mehr Zeit zum Lesen, Bloggen, Publizieren und wissenschaftlichen Austausch auf der einen oder anderen Tagung.

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Mein Fazit zum „Coburger Weg“

2 Jahre und 4 Monate war ich an der Hochschule Coburg und habe dort das BMBF-Projekt „Der Coburger Weg“ begleitet. Einige wenige Beiträge habe ich hierzu in diesem Blog veröffentlicht. Leider blieb neben der Lehre, der Leitung der COdidkatik und meinen Aufgaben als Studiendekan zu wenig Zeit mich als Wissenschaftler mit dem Coburger Weg intensiv auseinanderzusetzen. Zu sehr wurde ich durch das Tagesgeschäft getrieben: Viel zu oft musste ich Empfehlungen geben und Entscheidungen forcieren, die sich an den Polen praktische Erfahrungen, organisatorische Rahmenbedingungen und besonders an der Hochschulpolitik ausgerichtet haben. Ich gebe zu, das ist genau das, was mir an der Hochschuldidkatik nicht gefällt und weswegen ich gerne in die Technikdidaktik gewechselt bin.

Ich hoffe trotzdem, dass meine Anwesenheit Impulse geliefert hat, die den Coburger Weg weiterbringen bzw. weitergebracht haben. Darüber hinaus möchte ich betonen, dass das Projekt ein Raum war, in dem auch ich viel über interdisziplinäres Lehren und Lernen gelernt habe. Was ich nun im Coburger Weg alles beigetragen, aber auch gelernt habe, das habe ich in dem Beitrag „Wer – im Coburger Weg – was von wem wann mit wem wo, wie, womit und wozu lernen soll?“ in der Publikation „Gute Aussichten. Zwischenbilanz zum Projekt ‚Der Coburger Weg‘“ verschriftlicht. Dabei habe ich versucht mich ein wenig von dem Praktischen zu lösen und mit Freude festgestellt: Ganz so Theorie los, wie hier eingangs dargestellt, war mein Wirken doch nicht. Wer sich für mein Fazit zum „Coburger Weg“ interessiert, dem sei folglich dieser halb Theorie-, halb Praxis-Beitrag empfohlen.

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Die Freiheit der Lehre trifft auf 750 Erstsemester

Zugegebener maßen leitet der Titel diesen Beitrag polemisch ein. Worum geht es? Ich habe im vergangenen Wintersemester mit sieben weiteren Kollegen das Fach „Wissenschaftliches Arbeiten“ im Sinne eines Propädeutikums für acht verschiedene Studiengänge aus vier verschiedenen Fakultäten gelehrt. Sowohl bei den Kollegen als auch bei mir saßen in ein- und derselben Lehrveranstaltung z.B. Bioanalytiker, Sozialarbeiter, Betriebswirtschaftler und Innenarchitekten. Zur Erinnerung: Die Hochschule Coburg hat sich mit dem Projekt „Der Coburger Weg“ das Ziel gesetzt, die Studierenden systematisch zu interdisziplinären Denken und Handeln zu befähigen. Ein Ansatz dies zu fördern ist es sie gemeinsam die Grundzüge des wissenschaftlichen Arbeitens erlernen zu lassen. Insgesamt umfasste die Kohorte von Erstsemestern 750 Studierende. Die haben das Fach in Form eines seminaristischen Unterrichts in 35er Gruppen absolviert.

Im Verlauf des Semesters mussten wir jedoch feststellen, dass das studiengangübergreifende Angebot Optimierungspotenzial aufwies. Denn die Studierenden beklagten, dass die Inhalte sowie Anforderungen der Lehrenden signifikant voneinander abweichen, obwohl es einheitliche Prüfungsstandards sowie natürlich eine verbindliche Modulbeschreibung für alle acht Lehrenden gab. Gespräche der Lehrenden untereinander bestätigten dies, ebenso gab es auch von zwei Studiengangsleitern eine entsprechende Rückmeldung an mich in der Funktion als Studiendekan. Für das beschriebene Problem wurden in der Diskussion der Lehrenden untereinander die folgenden Ursachen ausgemacht:

  • Die Modulbeschreibung war nicht präzise genug verfasst, um eine vergleichbare Lehre zu leisten. Denn der vorliegende Text griff viele Lerninhalte auf, ließ aber zu viel Interpretationsspielraum dahingehend, wie umfangreich diese zu vermitteln waren.
  • Die Modulbeschreibung wurde von Lehrenden mit einem sehr heterogenen wissenschaftlichen Hintergrund in das Seminar überführt. Geistes- und Sozialwissenschaftler waren gleichermaßen mit diesem Fach betraut, weshalb eine annährend inhaltliche und vom Niveau her vergleichbare Lehre nicht zu leisten war.

In der Diskussion über die hier dargelegten Ursachen wurde vorgeschlagen, eine enge Absprache für das Fach vorzunehmen. Bestandteil der Absprache war es präzise Lektionen abzustimmen, die alle Lehrenden in ihrer Lehre verwenden sollten. Zusätzlich wurde für die operative Durchführung der Lehrveranstaltung vorgeschlagen, die direktiv zu vermittelnden Lerninhalte – also die Vermittlung des Fachwissens zum wissenschaftlichen Arbeiten – in einer Vorlesung darzubieten. Denn für die Vorlesung sprachen die folgenden Aspekte:

  • Alle Studierenden hören die Ausführungen bei den gleichen Lehrenden. Hierdurch werden inhaltliche Abweichungen minimiert.
  • Eine Vorlesung benötigt weniger Lehrdeputat, da zur gleichen Zeit sehr viele Studierende bedient werden. Dieses Lehrdeputat kann für die individuelle Förderung der Studierenden aufgewendet werden, um die Betreuungsrelation in den Übungen zu verbessern. Wir gehen derzeit davon aus, dass so die Gruppengröße in den Übungen von 35 auf 20 Studierende verkleinert werden kann.
  • Eine große Vorlesung kann per Video aufgezeichnet werden. Die Studierenden haben so die Möglichkeit verpasste Lektionen zuhause anzuschauen. Auch kann auf diese Lektionen in weiterführenden Semestern verwiesen werden, wenn Studierende z.B. in der Projektarbeit grundlegende Kenntnisse und Fertigkeiten des wissenschaftlichen Arbeitens nicht (mehr) beherrschen.

Die Vorlesung ist durch praktische Übungen zur Vertiefung der vermittelten Lektionen zu begleiten. Diese Übungen sollen studiengangbezogen, d.h. nicht mehr interdisziplinär angeboten werden, um eine hohe Passung der Aufgaben mit den Anforderungen der jeweiligen Studiengänge zu gewährleisten. Hier zeigt sich gut die besondere Herausforderung einer interdisziplinäre Lehre: Es muss immer abgewogen werden, ob eine fachübergreifende Lehre nicht das Ziel einer hochwertigen fachwissenschaftlichen Ausbildung tangiert. Aber das soll hier nicht das Thema sein.

Vielmehr möchte ich mit diesem Beitrag auf den Aspekt der im Hochschulrahmengesetz verankerten „Freiheit der Lehre“ eingehen. Denn um die fühlten sich einige Lehrende im Hinblick auf das diskutierte Konzept für die Lehrveranstaltung betrogen, was zu langen Diskussionen führte. Die Kritik ist keinesfalls von der Hand zu weisen und die kritischen Stimmen sollen mit diesen Zeilen nicht geringgeschätz werden. Denn durch die präzise Abstimmung der Lektionen um einheitliche Inhalte, und gar gleiche aktivierende Elementen in der Vorlesung, wird der Lehrende zum Ausführungsorgan eines vorgegebenen Fahrplans. Individuelle Stärken der Lehrenden gehen in definierten Lektionen unter; Inhalte, die sie oder er nicht gut beherrschen oder ideologisch nicht vertreten wollen, werden auf die Agenda geschrieben. Hierdurch entstehen Unsicherheiten. Auch ich spürte dies als Lehrender, z.B. bei der Diskussion über schreibdidaktische Aspekte der Lehrveranstaltung. Hier habe ich immer auf formale Aspekte des wissenschaftlichen Schreibens fokussiert – dabei geht es doch um viel mehr als das. Ich musste also eingestehen, dass meine Lehre bei diesem Aspekt nur rudimentär ist und ich einiges dazulernen muss.

Ist es das Wert? Bedroht die Forderung nach einer aufeinander abgestimmten Lehre die Freiheit derselben? Muss ich wählen zwischen der Zufriedenheit der Studierenden oder jener der Lehrenden? Wird der Anspruch nach Diversität von uns nicht richtig gelebt oder geht es einfach nicht ohne gemeinsame Standards?

Ich kann und will diese Fragen nicht pauschal sondern einzig bezogen auf den hier dargestellten Fall beantworten: Nach langer Diskussion hat sich die Mehrheit der Lehrenden – inklusive meiner Wenigkeit – für die gemeinsame Vorlesung und darauf abgestimmte Übungen entschieden. Hauptargument war letzten Endes: Die Studierenden müssen in etwa ein gleiches Verständnis vom wissenschaftlichen Arbeiten haben, wenn sie in aufbauenden Lehrveranstaltungen studiengangsübergreifend wissenschaftliche Projekte gemeinsam durchführen sollen.

Die lange Diskussion habe ich dabei als sehr wertvoll erlebt. Denn im Für und Wider haben wir bereits die Inhalte der Lehrveranstaltung abgesteckt und ich meine, eine sehr gute und besondere Vorgehensweise für dieses Fach in Bezug auf die Zielsetzung einer Hochschule für angewandte Wissenschaften geschaffen. Dieser Diskussionsprozess ist meiner Ansicht nach unumgänglich für solch ein Vorhaben. Und ist es nicht auch ein Akt der Freiheit von Lehre, wenn man sich gemeinsam auf einen Standard einigt? Die Diskussion ist für mich somit ein besonderer Weg der uns zeigt, wie die „Freiheit der Lehre“ mit den Forderungen nach „Qualität in der Lehre“ im System der akademischen Selbstverwaltung miteinander vereint werden kann. Oder anders ausgedrückt: Die Partizipation aller Beteiligten in einer Hochschule muss folglich ein tragendes Element für die Projekte im Rahmen des „Qualitätspaktes Lehre“ sein.

Wie geht es weiter? Unsere Vorbereitungen für das kommende Wintersemester sind in vollem Gange. Drei Lehrende werden die Vorlesung insgesamt an drei verschiedenen Tagen der Woche halten. Es gibt einen gemeinsamen Grobplan sowie für jede Lektion einen Feinplan über die zu vermittelnden Inhalte. Die Studierenden bekommen ein einheitliches Handout. Methodisch kann die Vorlesung von den jeweiligen Lehrenden individuell ausgestaltet werden, wobei wir uns auch hier Standards gesetzt haben: Mindestens zwei interaktive Phasen sind mit den Studierenden in den 90 Minuten durchzuführen, um sie aktiv in die Vorlesung einzubinden. Über die Erfahrungen bei der Durchführung werde ich dann im nächsten Jahr berichten – hoffentlich nur Gutes 🙂

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Anwesenheitspflicht: Pro & Contra

Im letzten Semester hatte ich mit unserem Vizepräsidenten für Lehre die Aufgabe zu prüfen, inwieweit die Anwesenheitspflicht für Studierende im Modul „Interdisziplinäres Projekt“ eingeführt werden kann. Diesen Wunsch hatten einige Lehrende geäußert, die beklagten, dass immer wieder Studierende im Projekt abtauchen und sich nur minimal an der Teamarbeit beteiligen – Stichwort „Free-Rider-Problem„. Eine gute Gelegenheit für mich meine eigene Einstellung zu diesem Thema zu hinterfragen:

  • In einer Vorlesung sollten aus meiner Sicht Studierende die Freiheit haben zu entscheiden, wie sie die Lerninhalte erarbeiten. Ich baue instruktionale Lernphasen immer so auf, dass sie durch die Teilnahme an der Vorlesung oder durch das Lesen von Literatur erarbeitet werden können. Ich sehe das recht leidenschaftslos – jeder soll hier seinen Weg finden, der seinen Lerngewohnheiten sowie persönlichen Möglichkeiten (z.B. Vereinbarung von Familie und Studium) entspricht. Da die Vorlesung überwiegend auf eine Wissensvermittlung abzielt, kann ich die Lernziele anschließend recht gut überprüfen – egal ob die Lerninhalte durch die Präsenzlehre oder über die Literatur erlernt wurden. Natürlich freue ich mich, wenn trotzdem viele Studierende in die Vorlesung kommen.
  • In Seminaren sehe ich ständiges Fehlen von Studierenden schon problematischer. Es stellt sich mir die Frage: Wie kann eine kritische Auseinandersetzung mit dem Seminarthema – und natürlich der eigenen Haltung dazu – stattfinden, wenn das Seminar nicht besucht wird? Sicherlich, Mann und Frau können auch mit Kommilitionen am WG-Tisch über das Thema diskutieren, aber machen sie das auch? Und wie fließen die Erfahrungen der Dozierenden in die Diskussion ein? Schließlich gibt es ja einen Grund, warum jemand für kompetent befunden wurde dieses Seminarthema zu lehren.
  • Richtig schwer tue ich mich mit dem Verzicht auf Anwesenheit in der Projektarbeit. Ein Ziel ist hier das Arbeiten im Team zu erlernen. Wenn Free-Rider sich nur minimal an den gemeinsam zu bewältigen Aufgaben beteiligen, wie kann ich als Lehrender erfassen, ob diese im Team arbeiten können? Darüber hinaus demotivieren Free-Rider die aktiven Teammitglieder, da sie durch ihren kleinen Beitrag – der durchaus gut sein kann – vom gesamten Projektergebnis profitieren. Ihnen wird eine Leistung zugesprochen, die überwiegend von anderen Studierenden erbracht wurde. Dies dürfte prüfungsrechtlich gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen.

Es zeigte sich folglich, dass ich auf der Seite meiner Kollegen stand. Das machte es einfacher mich in das Thema reinzuhängen, was wiederum leichter gedacht, als getan war. Denn die Anwesenheitspflicht ist im Rahmen der bundesweiten Bologna-Proteste im Jahre 2009 zu einem Politikum geworden. In vielen Landesverfassungen ist sie inzwischen streng reglementiert und in Nordrhein-Westfalen gibt es inzwischen „Anwesenheitsmelder“ der Asta. Studierende haben hiermit die Möglichkeit online prüfen zu lassen, ob die ausgerufene Anwesenheitspflicht der Lehrenden rechtens ist. Für Bayern bedeutet die Reglementierung, dass ca. 8 % der Lehrzeit in einem Studiengang mit Anwesenheitspflicht versehen werden darf. Alles was darüber hinaus geht, wird vom Ministerium nicht stattgegeben.

Ein für mich ein krasser Gegensatz zu der Bologna immanenten Verschiebung von der reinen Wissensvermittlung hin zur Förderung der „Employability“ der Studierenden. Wie wollen wir Kompetenzen fördern und bewerten, wenn unsere Studierenden an den dafür bereitgestellten Lernumgebungen nicht partizipieren? Unsere Erkenntnisse zur Kompetenzförderung stehen hier im eklatanten Widerspruch zu den politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Eine entsprechende Diskussion halte ich für zwingend geboten. Auch eine rechtliche Prüfung solch widersprüchlicher Regelungen wäre wünschenswert.

Für das Modul „Interdisziplinäres Projekt“ stellte sich bei näherer Prüfung heraus, dass etliche beteiligte Studiengänge die 8 % Marke Anwesenheitspflicht ausgeschöpft haben. Damit war eine entsprechende Änderung nicht praktikabel. Um den Free-Ridern trotzdem Einhalt zu gebieten, haben die Lehrenden jedoch die Möglichkeit semesterbegleitend Prüfungsleistungen einzufordern. Unseren Lehrenden haben wir diese Vorgehensweise dann in einer kleinen Handreichung mit praktischen Beispielen empfohlen.

Für meine interdisziplinäre Projekte habe ich es so gelöst, dass es drei Projektphasen im Laufe des Semesters gibt, zu dessen jeweiligen Ende individuelle Prüfungsleistungen abgegeben werden müssen. In meiner Zeit in Hannover hatte sich diese Vorgehensweise sehr bewährt. Es ist darüber hinaus ein Kompromiss zwischen der Freiheit der Studierenden im Studium und der Notwendigkeit einer aktiven Teilnahme in den Projekten.

Unser Asta hat sich bezüglich dieser Regelung noch nicht endgültig geäußert. Ich hoffe aber, dass er die Vorteile für die Studierenden sieht: Mehr Prüfungsgerechtigkeit, da alle Studierenden gleichermaßen gefordert sind Prüfungsleistungen zu erbringen, und kein zu verfassender Projektbericht am Ende des Semsters, wenn es eigentlich gilt, sich auf die schriftlichen Prüfungen vorzubereiten.

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Das erste Semester als „Prof.“

Einer der Gründe eine Professur an einer Hochschule anzunehmen war, weil ich sehr bewusst die Rolle als Hochschullehrer erleben wollte. Weg vom didaktischen Berater, dessen geringe Lehrverpflichtung – ich hatte in den letzten Jahren nur 2 SWS – im Format der Feiertagsdidaktik leidenschaftlich erfüllt wird, hin zum Lehrenden, der deutlich mehr SWS zu leisten hat und weiteren Verpflichtungen gegenübersteht. Meine Befürchtung, dass hochschuldidaktische Überlegungen in der Lehre dabei zu kurz kommen, hat sich ein Stück weit erfüllt. Aber fangen wir von vorne an:

18 SWS umfasst das Lehrdeputat in Bayern für eine Professur an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften. Meine Lehrverpflichtung reduzierte sich auf 14 SWS, weil ich 2 SWS Erlass für die Aufgaben als Studiendekan erhalte, weitere 2 SWS für die hochschuldidaktische Begleitung des Projektes „Der Coburger Weg„. Die Ämter geben Abwechslung, was schön ist, weniger Arbeit sind sie keinesfalls. U.a. bin ich als Studiendekan mit weiteren Kollegen dabei, einen neuen Studiengang vorzubereiten, um nur ein Beispiel der Aufgaben zu nennen. Die Funkstille hier im Blog und auf Twitter sind eine Folge der hohen Arbeitsbelastung. In meinen 14 SWS habe ich zwei Lehrveranstaltungen durchgeführt, dies allerdings mehrmals. D.h. viermal „Einführung ins wissenschaftliche Arbeiten“ und dreimal „Interdisziplinäre Persönlichkeitsentwicklung“.

Demnach waren „nur“ zwei Lehrveranstaltungen vorzubereiten, denn beide habe ich vorher noch nicht gehalten. Die Vorbereitungen sind bekanntermaßen mühselig und besonders beim Fach „Einführung ins wissenschaftliche Arbeiten“ habe ich deutlich mehr Zeit für die Vorbereitung benötigt, als ich dachte. Dies lag besonders daran, dass ich aus meiner Perspektive als Postdoc einen Einstieg erarbeiten musste, der von Studienanfängern bewältigt werden kann. Klassische didaktische Reduktion, keine einfache Aufgabe für ein Fach, was einem als Handwerkszeug geläufig ist, ich selber aber nie systematisch erlernt habe.

Ich bin wirklich froh, dass ich kein drittes Fach vorbereiten musste. Mir haben mehrere Kollegen berichtet, dass sie im ersten Semester ebenfalls eine reduzierte Anzahl an Stunden und Lehrveranstaltungen hatten. Das ist wirklich empfehlenswert, wenn man von seinen fachlichen und didaktischen Ansprüchen nicht zu viel Abschied nehmen will. Aber schauen wir dahin, wo ich von meinen Ansprüchen ein Stück weit Abstand nehmen musste:

  • Eingangsvoraussetzungen: Ein Problem von mir war, dass ich immer nur im Haupt-/Masterstudium oder in der Weiterbildung an der Universität gelehrt habe. Hinzu kam, dass die Studierenden interdisziplinär zusammengesetzt waren. Insgesamt kamen sie aus acht verschiedenen Studiengängen und das aus vier verschiedenen Fakultäten. Die Innenarchitekten waren genauso dabei wie die Soziale Arbeit und die Bioanalytik, um nur einige zu nennen. Damit war es schwierig abzuschätzen, was ich von Studienanfängern an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften erwarten konnte. Ein wenig hat mich mein persönlicher Werdegang dann geleitet. Ich konnte mich teilweise erinnern, was für Kenntnisse und Fertigkeiten ich nach Abschluss der „Fachhochschulreife“ hatte, bzw. im Eingang zu meinen beiden Studiengängen. Trotzdem: Es gab immer wieder Momente, wo ich die Studierenden unter- oder überfordert habe. Aus meiner Sicht hilft hier nur Erfahrung, das kann man nicht besser vorbereiten. Ich habe mir die kritischen Punkte notiert und werde sie zum nächsten WiSe einarbeiten.
  • Namen merken: In beiden Lehrveranstaltungen zusammen hatte ich es mit 150 verschiedenen Personen zu tun. Meinen langjährigen Vorsatz, die Lernenden beim Namen zu nennen, habe ich nach Sichtung der Listen über Bord geworfen – es waren einfach zu viele und ich kann mir Namen nicht besonders gut merken. Auch dadurch, dass Studierende nicht verlässlich in jeder Stunde anwesend sind, ist es schwer sich die Namen einzuprägen. Immerhin kannte ich am Ende des Semesters ungefähr 20 % der Studierenden und war froh, wenn ich alle auf dem Campus wiedererkannt habe. Hier sehe ich nicht, wie ich das mit einem vertretbaren Aufwand ändern kann. Ein Trost bleibt mir: Ich werde aus dieser Kohorte im 2, 3 und 6ten Semester noch Studierende haben. Dann kenne ich einige und die fehlenden Namen kann ich dann Semester für Semester erlernen.
  • Individuelles Feedback: Als Prüfungsleistung mussten unsere Studierenden u.a. einen wissenschaftlichen Text im Umfang von 3 Seiten verfassen und am Ende des Semesters zur Bewertung abgeben. Alle Studierenden hatten die Möglichkeit mir ihre Texte vor Weihnachten einzureichen. Diese habe ich dann gelesen und Verbesserungsvorschläge unterbreitet. Die Hälfte der Studierenden hat das in Anspruch genommen. Infolge des damit verbundenen Aufwandes hätte ich fast noch unterm Weihnachtsbaum und Silvester wie Neujahr korrigiert. Nächstes Jahr werde ich nur noch eine Seite zur Korrektur annehmen, das ist sonst kaum zu leisten. Ich will keinesfalls darauf verzichten, aber ein allumfassendes individuelles Feedback kann es bei so vielen Studierenden einfach nicht geben. Dafür hatte ich neben der Lehre im Semester viel zu viele weitere Aufgaben.
  • Didaktische Kreativität: Sich in ein Thema einarbeiten, didaktische Reduktion betreiben und erahnen, was den Studienanfängern abverlangt werden kann, ist fordernd. Je größer zum Semesterbegin dann der Handlungszwang wurde, die Lehrveranstaltung vorbereitet zu haben, desto mehr verfiel ich in eine scheinbare Routine: Ich bereitete die Lehre ein Stück weit so vor, wie ich sie als Studierender selbst erlebt hatte. Schöne Ansätze, wie z.B. das Problembasierte Lernen, habe ich dabei nicht mehr in Erwägung gezogen. Auch das heißt für mich in den kommenden Sommerferien „Nachsitzen“ und das vorliegende Lehrveranstaltungskonzept kreativ zu hinterfragen.

Es zeigt sich sehr gut, dass eine Lehrveranstaltung nicht mit dem einmaligen Vorbereiten endgültig ausgearbeitet ist. Die Ausarbeitung ist ein Prozess, der sich über mehrere Semester hinzieht. Während ich früher meine Lehrveranstaltung nach einem Semester eher abgerüstet habe, weil sie zu kreativ waren und zu viele Lernziele verfolgten, muss ich hier konstatieren: Es gilt noch aufzurüsten und es bleibt eine Menge finetuning. Bevor jetzt alle denken, es ist alles schief gelaufen: Neben all dem Verbesserungspotenzial bin ich trotzdem recht zufrieden mit der Durchführung und mit den Lernleistungen der Studierenden. Auch die Evaluation ist gut ausgefallen, was motiviert, die TO DO-Liste für das WiSe anzugehen und sich ins Zeug zu legen.

Abschließend werfe ich als didaktischer Berater einen Blick auf die gemachten Erfahrungen: Ich kann jetzt besser nachvollziehen, warum Lehrende zögerlich sind ihre Lehrveranstaltungen mit digitalen Medien oder aktivierenden Lehr-/Lernmethoden zu versehen. Sie scheuen davor Semester für Semester entwickelte und anschließend bewährte Konzepte zu „verschlimmbessern“. Für die didaktische Beratung wirft dies aus meiner Sicht eine wichtige Frage auf: Warum konzentrieren wir uns nicht auf die Neuberufenen bei der Entwicklung ihrer Lehrveranstaltungskonzepte, wenn diese am Anfang ihrer Planung stehen? Nach den hier dargelegten Erfahrungen ist dies ein strategischer Moment, den es für die Qualitätsverbesserung der Lehre zu nutzen gilt. Auch ich wäre für methodische Vorschläge bei der Lehrveranstaltungsplanung dankbar gewesen. Nicht, weil ich es nicht besser wusste, sondern weil die didaktische Kreativität unter dem Zeitdruck leidet. Ich bin mir sicher, entsprechende Ansätze und Erfahrungen gibt es bereits. Wer hier Tipps hat, „nur her damit“.

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Interdisziplinäres Projekt

Es wird schon wieder still um mich in diesem Blog. Diesmal liegt es nicht daran, dass ich keine Zeit finde zu schreiben, sondern daran, dass ich durch das Einarbeiten mit recht vielen Aufgaben konfrontiert bin, von denen ich (noch) nicht viel berichten kann. Das nachfolgende Video ist mir jedoch heute „über den Weg gelaufen“ und bietet einen kleinen Einblick in meine derzeitige Arbeit. Vor dem Video hier ein paar Randinformationen:

Der Coburger Weg hat in der Projektsäule COnzept zum Ziel, das interdisziplinäre Lernen zu ermöglichen. Ziel ist es eine „Interdisziplinäre Kompetenz“ von Studierenden zu fördern. Eine nicht einfach Aufgabe, da unter Interdisziplinarität bei den Lehrenden sehr unterschiedliches verstanden wird. Eine gemeinsame Begriffsdefinition ist schwierig, trotz allem hat die wissenschaftliche Begleitforschung von Prof. Dr. Bender und Dr. Lerch (Universität Bamberg; Professur für Fort- und Weiterbildung) Hinweise dafür finden können, dass das Bewusstsein für Interdisziplinarität bei den Studierenden gefördert werden kann.

An dieser Stelle sei auch von mir darauf hingewiesen, dass dies natürlich kein wissenschaftlicher Beleg dafür ist, dass eine – wie auch immer definierte – „Interdisziplinäre Kompetenz“ im Leben der Studierenden irgendwann einmal wirksam wird. Als Didaktiker soll mich dies jedoch erst mal nicht davon abhalten, weiter die Lehr/Lernprozesse nach besten Wissen und entsprechend der Gegebenheiten vor Ort zu gestalten.

Für die Förderung der „Interdisziplinären Kompetenz“ gibt es neben dem Modul I „Interdisziplinäre Perspektiven“, in denen im ersten Semester erst Schritte in Richtung Interdisziplinarität gemacht werden, das Modul II + III „Interdisziplinäres Projekt“. Genau darüber berichtet das folgende Video „Interdisziplinäres Arbeiten an der Hochschule„. Es zeigt sehr gut, welche Kreativität und Motivation die Studierenden in solchen Projekten entfalten können. Leider arbeitet das Video den Aspekt der Interdisziplinarität des Projektes nicht gut heraus. Bessere Einsichten hierzu finden sich in der schon von mir referenzierten Broschüre “Interdisziplinär studieren – Lösungsansätze für die Praxis”.

Ganz nebenbei habe ich mich sehr darüber gefreut, dass die Hochschule Coburg ein eigenes Hochschulfernsehen mit dem Namen „COsmos“ anbietet. Ein weiterer Punkt auf meiner „To Do“, die Rahmenbedingungen hier zu erkunden und vielleicht Ideen für einen Videobeitrag zu entwickeln 🙂

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Wie komme ich zum Coburger Weg?

Jetzt ist meine erste Woche rum und ich hatte versprochen, den Übergang ein Stück weit zu dokumentieren. Erstens, weil es persönlich gut tut, wenn das viele Neue aufgearbeitet wird und zweitens, weil der Blick als Neuer auf die Gegebenheiten vor Ort noch ungetrübt ist. Letzteres hat den Vorteil, dass einem Eigenheiten schnell auffallen, aber wiederum den Nachteil, dass einem oft nicht klar ist, warum dem so ist. Mein Start stand deswegen unter den Prämissen Gespräche führen, Fragen stellen, Beobachten und Verknüpfen – oder mit einem Wort: Zuhören. Letzteres ist mir meistens, leider nicht immer gelungen. Der praktische Mensch in mir sucht zu gerne nach Lösungen, hierfür bildet er sich schnell eine Meinung. Es kostet mich dann Energie hiervon Abstand zu nehmen, um weiterhin unvoreingenommen den Gegenstand betrachten zu können.

Was aber gibt es von der ersten Woche zu berichten? Zuerst das Große und Ganze: Mein Eindruck, dass der Coburger Weg ein großes und ambitioniertes Projekt ist, welches sich mit seinen Projektergebnissen nicht verstecken muss, wurde durchweg bestätigt. Das bekräftigt meine Entscheidung nach Coburg zu gehen sehr und ich habe großen Respekt vor dem, was hier geschaffen wurde.

Den bisher größten Einblick habe ich in die Projektsäule „COnzept“ erhalten, von der ich in diesem Beitrag berichten möchte: In dieser Säule studieren die Studierenden in einem interdisziplinären Kontext und es partizipieren sieben Studiengänge aus drei Fakultäten. Mehr als 600 Erstsemester nehmen am ersten Modul „Interdisziplinäre Perspektiven“ (6 ECTS) teil. Auch das zweite und dritte Modul „Interdizipilinäres Projekt“ (2 mal 6 ECTS) wird gut angenommen und es sind eindrucksvolle Ergebnisse, dessen Dokumentation „Interdisziplinär studieren – Lösungsansätze für die Praxis“ ich sichten durfte. Diese Woche ist das vierte und letzte Modul „Interdisziplinäre Profilierung“ mit noch mal 6 ECTS fertig gestellt worden. Der erste Durchlauf kann damit auch hier beginnen.

Es ist selbstredend, dass ein großer Teil der im Projekt beantragten Personalressourcen in die Lehre fließen. Auch mein Lehrdeputat fließt in diese Module und ich bin angwiesen die Erziehungswissenschaften, die Didaktik und die Wissenschaftsmethoden als Lerninhalte für eine interdisziplinäre Lehre einzubringen. Ich geben zu, ich fühle mich gefordert und muss mir noch etliche Gedanken machen. Aber ich freue mich auch darauf, meine Ideen und Erfahrungen einfließen zu lassen.

Was ich als Projektleiter in unserem ebenfalls recht großen BMBF-Projekt eCULT (gleiche Förderlinie wie der Coburger Weg) beobachtet habe, finde ich auch hier wieder. Die Organisation eines solch großen Projektes, mit so unterschiedlichen Kompetenzen, Persönlichkeiten, vielen Mitarbeitern und einer für die Hochschullehre innovativen und damit ein Stück weit abstrakten Idee, ist eine echte Herausforderung. Hinzu kommt beim Coburger Weg die Abstimmung mit den Studiengängen, welche am Anfang zu wenig eingebunden wurden. Es bleibt nicht aus, dass viel Zeit für die Abstimmung der (Entscheidungs-)Prozesse aufgewendet wird. Ein besonders für die operativen Projektmitarbeiter sehr unangenehmer Vorgang, da Entscheidungen, auf die sie ihre inhaltliche Ausgestaltung der Arbeit ausrichten, oft revidiert werden. Aber auch hier sehe ich den Coburger Weg – im Bezug auf die Projektlaufzeit – gut entwickelt und bin guter Hoffnung, dass es weiter geht.

Alles in allem also eine sehr positive Wochenbilanz und ich glaube, den Coburger Weg gefunden zu haben 🙂

Herzlichen Dank an dieser Stelle an die vielen und netten neuen Kollegen für die offenen und persönlichen Gespräche. Ein beonderer Dank gilt außerdem all jenen, die mir mein Arbeitsumfeld (Büro, Computer, Telefon, Dienstausweis, …) vorbereitet haben, so dass ich sofort loslegen konnte. Und einen abschließenden ganz lieben Dank an die Lehrenden im Coburger Weg für das nette Einstiegsgeschenk!