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Machen, nicht klagen! Die digitale Absolventenfeier.

Ich habe es bis jetzt vermieden über die Corona-Pandemie zu schreiben. Erstens, weil Klagen nicht so meins ist und zweitens, weil ich denke: Wir gestalten alle unsere Lehr- und Forschungsaufgaben unter diesen Bedingungen mit mal ein wenig mehr, mal ein bisschen weniger Kreativität und hoffentlich einer guten Unterstützung der IT-Abteilungen. Was habe ich schon besonderes beizutragen? Jetzt aber doch ein paar Worte zu einem tollen Erlebnis:

Wir haben uns im IBL von Anfang an alle der Corona-Pandemie gestellt und versucht alles meist digital abzubilden, was wir in der Lehre leisten. Die Kollegen*innen waren selbst erstaunt, wie viel wir abfangen konnten ohne auch nur das Gefühl zu haben, dass wir große Abstriche machen müssen. Mir ist es ebenso ergangen. Und auch als ehemaliger Mediendidaktiker war es für mich ein Sprung ins kalte Wasser, wenn vielleicht auch nicht so kalt, wie für andere. Einer Situation haben wir uns letztes Jahr jedoch nicht gestellt: Unsere im Frühjahr alljährlich stattfindende Absolventenfeier digital abzubilden. Denn letztes Jahr waren wir noch mit der Umstellung auf online Lehre beschäftigt, wir haben außerdem gedacht: Was soll so eine Videokonferenz den Absolventen*innen und uns bringen?

Dieses Jahr wollten wir die Feier nicht nochmal ausfallen lassen, zu viel liegt uns an diesem Ereignis. Die Vorschriften waren jedoch eindeutig: Wenn wir feiern wollen, dann digital und das haben wir dann auch gemacht. Um mich hier nicht mit fremden Federn zu schmücken explizit der Hinweis: Die Kollegen*innen des IBL haben diese Veranstaltung hervorragend geplant und durchgeführt, ihnen gilt meine Anerkennung und mein herzlicher Dank. Es gab Tüten mit Hüten, Getränk und Leckerlies für jeden Studierenden, es gab Livemusik, kurze Reden, eine tolle Zusammenfassung des Studiums seitens der Studierenden und natürlich eine Würdigung jeder einzelnen Absolventin und jedes einzelnen Absolventen. Es war eine große Feier mit einer tollen Stimmung und einer in der Corona-Pandemie sich wiederholenden Erkenntnis: Machen, nicht klagen!

Wenn Sie einen kleinen Eindruck über die Feier(-stimmung) erhalten möchten, dann können Sie sich hier die Bildergalerie zu unseren digitalen Absolventenfeier 2021 anschauen. Und klar, für nächstes Jahr hoffen wir natürlich, wieder in Präsenz zusammenzukommen.

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Lehrkräftebildung für berufliche Schulen innovieren

Im letzten Beitrag hatte ich schon angedeutet, dass ich die Chance erhalten habe, in dem vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft initiierten Innovationsnetzwerk Lehramt für Berufliche Schulen (I-LaBS) mitzuwirken, wo ich mit Kolleginnen und Kollegen über die Zukunft der beruflichen Lehrerbildung nachdenken durfte. Dabei führten wir die Probleme in diesem Bereich zusammen und setzen uns mit bewährten Ansätzen auseinander, die tragfähig zur Lösung der identifizierten Probleme erschienen.

Das Ergebnis der Zusammenarbeit ist just in einer Handreichung zusammengefasst worden, die vom Stifterverband herausgegeben und u.a. von mir redaktionell mit begleitet wurde. Dort finden sich 12 Forderungen, mit denen die Lehrkräftebildung für berufliche Schulen erneuert und somit den seit 60 Jahre herrschenden Nachwuchsmangel in den gewerblich-technischen Fachrichtungen begegnet werden soll. Die meisten Forderungen finde ich wegweisend, besonders jene, die versuchen, das berufliche Lehramtsstudium von den gymnasialen Strukturen abzukoppeln, um eine Ausbildungsstruktur zu ermöglichen, die eine kompetente Lehrerbildung für berufliche Schulen ermöglicht. Denn zu verschieden sind die Ausbildungsinhalte und thematischen Bezüge eines beruflichen im Vergleich zum gymnasialen Lehramts, als dass sich dessen Strukturen eins-zu-eins (z.B. zwei gleichberechtigte Unterrichtsfächer) übertragen lassen. Ein besonderes Manko sehe ich besonders im vernachlässigten Berufsbezug des beruflichen Lehramtsstudiums. Dieser wird derzeit in Form eines 52-wöchigen Praktikums hergestellt, womit im übrigen die Ausbildung zum Berufsschullehrer/in um diese Dauer länger ist als die zum Gymnasiallehrer/in. Eine solide wissenschaftliche Ausbildung, die sich z.B. mit den fachlichen und arbeitsmethodischen Inhalten der Berufe auseinandersetzt, wird über das Praktikum jedoch nicht geleistet.

Über die Handreichung hinaus hat es der Stifterverband ermöglicht, dass diese vom Kollegen Prof. Dr. Franz Kaiser (Universität Rostock, Institut für Berufspädagogik) auf der zentralen Veranstaltung zum Tag der Bildung mit dem Thema „Zukunft ungewiss – Jugendliche zwischen Schule und Beruf“ in einem kurzen Impulsreferat vorgestellt werden konnte. Hierdurch wurden sowohl Frau Ministerin Karin Prien (Bildung, Wissenschaft und Kultur in Schleswig-Holstein) als Vertreterin der Kultusministerkonferenz, als auch die Frau des Bundespräsidenten, Elke Büdenbender als Schirmherrin der Veranstaltung, für das Thema sowie die skizzierten Forderungen sensibilisiert. Beide Persönlichkeiten habe zum Abschluss der Veranstaltung ihre Bereitschaft bekundet, dieses Thema politisch zu begleiten.

Abschließend bleibt zu erwähnen, dass der Monitor Lehrerbildung im vergangenen Monat ebenfalls eine Handreichung zum Mangel an gewerblich-technischen Berufsschullehrern/innen herausgegeben hat. Es zeigt sich, dass die zentralen Forderungen beider Handreichungen nicht weit auseinanderliegen. Und so hoffe ich, dass wir bald losgelöst von Lehrerausbildungsgesetzen und KMK-Vorgaben die Lehrkräftebildung für berufliche Schulen sowohl an unserem Standort, als auch standortübergreifend innovieren können.

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Von der HS Coburg zur FH Münster

Im letzten Jahr ist in diesem Blog nicht viel passiert, trotzdem hat sich für mich einiges verändert. Der Titel sagt es schon: Ich verlassen nach mehr als zwei Jahren zum 30.9. das Wissenschafts- und Kulturzentrum (WiKu) der Hochschule Coburg und gehe an die Fachhochschule Münster, dort genau zum Institut für Berufliche Lehrerbildung (IBL). Stellt sich die Frage: Warum?

Auch wenn ich mich am WiKu wohl gefühlt habe und das BMBF Qualitätspakt Lehre Projekt „Coburger Weg (CoW)“ nach wie vor eine sehr interessante Aufgabe darstellt, habe ich mich nach anderen Professuren umgeschaut. Ausschlaggebend hierfür war, dass eine bei der Berufung angedeutete Verstetigung der BMBF finanzierten Professuren und LfbA nicht annährend in Sichtweite lag. Mehr noch, es wurde meinen Kollegen/innen und mir (für mich nach einem halben Jahr meiner Ankunft) kommuniziert, dass wir unsere Stellen nach 2020 über Drittmitteleinwerb finanzieren sollten. Für eine Forschungsprofessur ist das sicherlich eine gängige Vorgehensweise, aber, wenn man neben der ordinären Lehre an einer HAWK (18 SWS) mit der didaktischen Projektbegleitung des CoW sowie der Organisationsentwicklung des WiKu beauftragt ist, eine ziemlich ernüchternde Perspektive. Denn für das Drittmitteleinwerben benötigt man Zeit, die man nicht hat, wenn man mit täglichen Klein-Klein sowie mit hochschulpolitischen Auseinandersetzungen beschäftigt ist. Darüber hinaus fand ich keine Zeit mehr zum Publizieren, geschweige denn die Erkenntnisse unser täglichen Arbeit zusammenzutragen. Meine Abstinenz in diesem Blog, auf den gängigen Tagungen sowie die fehlenden Publikationen zeugen von diesen Rahmenbedingungen. Ich kann es nicht anders sagen, aber ich fühlte mich in einer Falle und mir blieb nur der Sprung nach vorne und das war sich weiter zu bewerben. Soviel zu mir.

Grundsätzlich lässt sich in vielen BMBF Qualitätspakt Lehre Projekten eine hohe Personalfluktuation beobachten, die der zu leistenden Qualitätsverbesserung der Lehre aus meiner Sicht nicht zuträglich ist. Denn mit jedem Mitarbeitenden, die oder der geht, geht auch ein Teil des Know-hows, welches langsam und mühselig aufgebaut wurde. Jeder Weggang wirft deren Aufgabenbereiche schnell um ein, zwei Jahre zurück. Ich habe Projektaufgaben kennengelernt (nicht nur im CoW), die kommen durch die hohe Personalfluktuation nicht von der Stelle, da ständig neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingearbeitet werden müssen. Es ist klar, dass nicht alle BMBF-finanzierten Stellen in Dauerstellen überführt werden können, aber nach der ersten Förderphase – immerhin 5 Jahre Projektlaufzeit – muss eine Hochschule z.B. für bewährte Lehr- und Serviceaufgaben ein klares Statement abgegeben, ob und wie sie das zukünftig fortführen will. Die zweite Förderphase des BMBF wäre hier eine gute Möglichkeit gewesen, diese Statements seitens des Projektträgers wie folgt einzufordern: Ja, wir fördern euch nochmal vier Jahre, wenn ihr XY-Stellen verstetigt, die wir euch trotzdem in der zweiten Projektförderung noch finanzieren. Die Hochschulen hätten dann vier Jahre Zeit freiwerdende Stellen umzuwidmen.

Ich weiß, beim Qualitätspakt Lehre reden auch die Bundesländer mit und die verbitten sich eine Einmischung in ihre Autonomie der Hochschulentwicklung. Auf der anderen Seite haben die Projekte aber ein so großes Fördervolumen, dass die Hochschulen sowie Bundesländer unmöglich in der Lage sein werden, Ende 2020 nur die Hälfte der Personalaufwendungen zu übernehmen, wenn sie sich darauf nicht vorbereitet. Ich weiß auch, ich mache mich mit den folgenden Zeilen nicht beliebt, aber wenn eine Qualitätspakt Lehre finanzierte Hochschule nicht sehr bald einen Plan aufstellt, welche Stellen sie verstetigen will und wie sie das finanziert wird, dann kann ich den BMBF finanzierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hier nur raten: Sucht euch etwas anderes, sonst sitzt ihr 2020 mit ganz vielen weiteren Kollegen/innen beim Arbeitsamt. Ich möchte betonen, dass ich diese Empfehlung hier nicht aus Frustration gebe, dass man meinen Erwartungen bezüglich einer möglichen Verstetigung nicht entsprochen wurde. Meine Berufung an die Hochschule Coburg hat mich sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf meine Laufbahn durchaus weitergebracht und dafür bin ich dankbar. Die Aussage entspringt vielmehr meinen Erfahrungen der letzten 15 Jahre mit Hochschulentwicklungsprojekten. Und die besagt, je größer eine Projektförderung war, desto wahrscheinlicher, dass es abrupt beendet wird.

Am IBL werde ich übrigens nicht mehr interdisziplinäre Lehrveranstaltungen durchführen, sondern die Fach- und Technikdidaktik der gewerblich-technischen Fächer vertreten. Eine Aufgabe, auf die ich mich sehr freue. Hochschuldidaktische Fragen werde ich dann mehr für mich und dies mit dem Ziel der beruflichen Lehrerbildung verfolgen, mediendidaktische Fragen aber nicht außen vorlassen. Und hoffentlich bleibt mir zukünftig dann auch wieder mehr Zeit zum Lesen, Bloggen, Publizieren und wissenschaftlichen Austausch auf der einen oder anderen Tagung.

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Mein Fazit zum „Coburger Weg“

2 Jahre und 4 Monate war ich an der Hochschule Coburg und habe dort das BMBF-Projekt „Der Coburger Weg“ begleitet. Einige wenige Beiträge habe ich hierzu in diesem Blog veröffentlicht. Leider blieb neben der Lehre, der Leitung der COdidkatik und meinen Aufgaben als Studiendekan zu wenig Zeit mich als Wissenschaftler mit dem Coburger Weg intensiv auseinanderzusetzen. Zu sehr wurde ich durch das Tagesgeschäft getrieben: Viel zu oft musste ich Empfehlungen geben und Entscheidungen forcieren, die sich an den Polen praktische Erfahrungen, organisatorische Rahmenbedingungen und besonders an der Hochschulpolitik ausgerichtet haben. Ich gebe zu, das ist genau das, was mir an der Hochschuldidkatik nicht gefällt und weswegen ich gerne in die Technikdidaktik gewechselt bin.

Ich hoffe trotzdem, dass meine Anwesenheit Impulse geliefert hat, die den Coburger Weg weiterbringen bzw. weitergebracht haben. Darüber hinaus möchte ich betonen, dass das Projekt ein Raum war, in dem auch ich viel über interdisziplinäres Lehren und Lernen gelernt habe. Was ich nun im Coburger Weg alles beigetragen, aber auch gelernt habe, das habe ich in dem Beitrag „Wer – im Coburger Weg – was von wem wann mit wem wo, wie, womit und wozu lernen soll?“ in der Publikation „Gute Aussichten. Zwischenbilanz zum Projekt ‚Der Coburger Weg‘“ verschriftlicht. Dabei habe ich versucht mich ein wenig von dem Praktischen zu lösen und mit Freude festgestellt: Ganz so Theorie los, wie hier eingangs dargestellt, war mein Wirken doch nicht. Wer sich für mein Fazit zum „Coburger Weg“ interessiert, dem sei folglich dieser halb Theorie-, halb Praxis-Beitrag empfohlen.

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Die Freiheit der Lehre trifft auf 750 Erstsemester

Zugegebener maßen leitet der Titel diesen Beitrag polemisch ein. Worum geht es? Ich habe im vergangenen Wintersemester mit sieben weiteren Kollegen das Fach „Wissenschaftliches Arbeiten“ im Sinne eines Propädeutikums für acht verschiedene Studiengänge aus vier verschiedenen Fakultäten gelehrt. Sowohl bei den Kollegen als auch bei mir saßen in ein- und derselben Lehrveranstaltung z.B. Bioanalytiker, Sozialarbeiter, Betriebswirtschaftler und Innenarchitekten. Zur Erinnerung: Die Hochschule Coburg hat sich mit dem Projekt „Der Coburger Weg“ das Ziel gesetzt, die Studierenden systematisch zu interdisziplinären Denken und Handeln zu befähigen. Ein Ansatz dies zu fördern ist es sie gemeinsam die Grundzüge des wissenschaftlichen Arbeitens erlernen zu lassen. Insgesamt umfasste die Kohorte von Erstsemestern 750 Studierende. Die haben das Fach in Form eines seminaristischen Unterrichts in 35er Gruppen absolviert.

Im Verlauf des Semesters mussten wir jedoch feststellen, dass das studiengangübergreifende Angebot Optimierungspotenzial aufwies. Denn die Studierenden beklagten, dass die Inhalte sowie Anforderungen der Lehrenden signifikant voneinander abweichen, obwohl es einheitliche Prüfungsstandards sowie natürlich eine verbindliche Modulbeschreibung für alle acht Lehrenden gab. Gespräche der Lehrenden untereinander bestätigten dies, ebenso gab es auch von zwei Studiengangsleitern eine entsprechende Rückmeldung an mich in der Funktion als Studiendekan. Für das beschriebene Problem wurden in der Diskussion der Lehrenden untereinander die folgenden Ursachen ausgemacht:

  • Die Modulbeschreibung war nicht präzise genug verfasst, um eine vergleichbare Lehre zu leisten. Denn der vorliegende Text griff viele Lerninhalte auf, ließ aber zu viel Interpretationsspielraum dahingehend, wie umfangreich diese zu vermitteln waren.
  • Die Modulbeschreibung wurde von Lehrenden mit einem sehr heterogenen wissenschaftlichen Hintergrund in das Seminar überführt. Geistes- und Sozialwissenschaftler waren gleichermaßen mit diesem Fach betraut, weshalb eine annährend inhaltliche und vom Niveau her vergleichbare Lehre nicht zu leisten war.

In der Diskussion über die hier dargelegten Ursachen wurde vorgeschlagen, eine enge Absprache für das Fach vorzunehmen. Bestandteil der Absprache war es präzise Lektionen abzustimmen, die alle Lehrenden in ihrer Lehre verwenden sollten. Zusätzlich wurde für die operative Durchführung der Lehrveranstaltung vorgeschlagen, die direktiv zu vermittelnden Lerninhalte – also die Vermittlung des Fachwissens zum wissenschaftlichen Arbeiten – in einer Vorlesung darzubieten. Denn für die Vorlesung sprachen die folgenden Aspekte:

  • Alle Studierenden hören die Ausführungen bei den gleichen Lehrenden. Hierdurch werden inhaltliche Abweichungen minimiert.
  • Eine Vorlesung benötigt weniger Lehrdeputat, da zur gleichen Zeit sehr viele Studierende bedient werden. Dieses Lehrdeputat kann für die individuelle Förderung der Studierenden aufgewendet werden, um die Betreuungsrelation in den Übungen zu verbessern. Wir gehen derzeit davon aus, dass so die Gruppengröße in den Übungen von 35 auf 20 Studierende verkleinert werden kann.
  • Eine große Vorlesung kann per Video aufgezeichnet werden. Die Studierenden haben so die Möglichkeit verpasste Lektionen zuhause anzuschauen. Auch kann auf diese Lektionen in weiterführenden Semestern verwiesen werden, wenn Studierende z.B. in der Projektarbeit grundlegende Kenntnisse und Fertigkeiten des wissenschaftlichen Arbeitens nicht (mehr) beherrschen.

Die Vorlesung ist durch praktische Übungen zur Vertiefung der vermittelten Lektionen zu begleiten. Diese Übungen sollen studiengangbezogen, d.h. nicht mehr interdisziplinär angeboten werden, um eine hohe Passung der Aufgaben mit den Anforderungen der jeweiligen Studiengänge zu gewährleisten. Hier zeigt sich gut die besondere Herausforderung einer interdisziplinäre Lehre: Es muss immer abgewogen werden, ob eine fachübergreifende Lehre nicht das Ziel einer hochwertigen fachwissenschaftlichen Ausbildung tangiert. Aber das soll hier nicht das Thema sein.

Vielmehr möchte ich mit diesem Beitrag auf den Aspekt der im Hochschulrahmengesetz verankerten „Freiheit der Lehre“ eingehen. Denn um die fühlten sich einige Lehrende im Hinblick auf das diskutierte Konzept für die Lehrveranstaltung betrogen, was zu langen Diskussionen führte. Die Kritik ist keinesfalls von der Hand zu weisen und die kritischen Stimmen sollen mit diesen Zeilen nicht geringgeschätz werden. Denn durch die präzise Abstimmung der Lektionen um einheitliche Inhalte, und gar gleiche aktivierende Elementen in der Vorlesung, wird der Lehrende zum Ausführungsorgan eines vorgegebenen Fahrplans. Individuelle Stärken der Lehrenden gehen in definierten Lektionen unter; Inhalte, die sie oder er nicht gut beherrschen oder ideologisch nicht vertreten wollen, werden auf die Agenda geschrieben. Hierdurch entstehen Unsicherheiten. Auch ich spürte dies als Lehrender, z.B. bei der Diskussion über schreibdidaktische Aspekte der Lehrveranstaltung. Hier habe ich immer auf formale Aspekte des wissenschaftlichen Schreibens fokussiert – dabei geht es doch um viel mehr als das. Ich musste also eingestehen, dass meine Lehre bei diesem Aspekt nur rudimentär ist und ich einiges dazulernen muss.

Ist es das Wert? Bedroht die Forderung nach einer aufeinander abgestimmten Lehre die Freiheit derselben? Muss ich wählen zwischen der Zufriedenheit der Studierenden oder jener der Lehrenden? Wird der Anspruch nach Diversität von uns nicht richtig gelebt oder geht es einfach nicht ohne gemeinsame Standards?

Ich kann und will diese Fragen nicht pauschal sondern einzig bezogen auf den hier dargestellten Fall beantworten: Nach langer Diskussion hat sich die Mehrheit der Lehrenden – inklusive meiner Wenigkeit – für die gemeinsame Vorlesung und darauf abgestimmte Übungen entschieden. Hauptargument war letzten Endes: Die Studierenden müssen in etwa ein gleiches Verständnis vom wissenschaftlichen Arbeiten haben, wenn sie in aufbauenden Lehrveranstaltungen studiengangsübergreifend wissenschaftliche Projekte gemeinsam durchführen sollen.

Die lange Diskussion habe ich dabei als sehr wertvoll erlebt. Denn im Für und Wider haben wir bereits die Inhalte der Lehrveranstaltung abgesteckt und ich meine, eine sehr gute und besondere Vorgehensweise für dieses Fach in Bezug auf die Zielsetzung einer Hochschule für angewandte Wissenschaften geschaffen. Dieser Diskussionsprozess ist meiner Ansicht nach unumgänglich für solch ein Vorhaben. Und ist es nicht auch ein Akt der Freiheit von Lehre, wenn man sich gemeinsam auf einen Standard einigt? Die Diskussion ist für mich somit ein besonderer Weg der uns zeigt, wie die „Freiheit der Lehre“ mit den Forderungen nach „Qualität in der Lehre“ im System der akademischen Selbstverwaltung miteinander vereint werden kann. Oder anders ausgedrückt: Die Partizipation aller Beteiligten in einer Hochschule muss folglich ein tragendes Element für die Projekte im Rahmen des „Qualitätspaktes Lehre“ sein.

Wie geht es weiter? Unsere Vorbereitungen für das kommende Wintersemester sind in vollem Gange. Drei Lehrende werden die Vorlesung insgesamt an drei verschiedenen Tagen der Woche halten. Es gibt einen gemeinsamen Grobplan sowie für jede Lektion einen Feinplan über die zu vermittelnden Inhalte. Die Studierenden bekommen ein einheitliches Handout. Methodisch kann die Vorlesung von den jeweiligen Lehrenden individuell ausgestaltet werden, wobei wir uns auch hier Standards gesetzt haben: Mindestens zwei interaktive Phasen sind mit den Studierenden in den 90 Minuten durchzuführen, um sie aktiv in die Vorlesung einzubinden. Über die Erfahrungen bei der Durchführung werde ich dann im nächsten Jahr berichten – hoffentlich nur Gutes 🙂

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Anwesenheitspflicht: Pro & Contra

Im letzten Semester hatte ich mit unserem Vizepräsidenten für Lehre die Aufgabe zu prüfen, inwieweit die Anwesenheitspflicht für Studierende im Modul „Interdisziplinäres Projekt“ eingeführt werden kann. Diesen Wunsch hatten einige Lehrende geäußert, die beklagten, dass immer wieder Studierende im Projekt abtauchen und sich nur minimal an der Teamarbeit beteiligen – Stichwort „Free-Rider-Problem„. Eine gute Gelegenheit für mich meine eigene Einstellung zu diesem Thema zu hinterfragen:

  • In einer Vorlesung sollten aus meiner Sicht Studierende die Freiheit haben zu entscheiden, wie sie die Lerninhalte erarbeiten. Ich baue instruktionale Lernphasen immer so auf, dass sie durch die Teilnahme an der Vorlesung oder durch das Lesen von Literatur erarbeitet werden können. Ich sehe das recht leidenschaftslos – jeder soll hier seinen Weg finden, der seinen Lerngewohnheiten sowie persönlichen Möglichkeiten (z.B. Vereinbarung von Familie und Studium) entspricht. Da die Vorlesung überwiegend auf eine Wissensvermittlung abzielt, kann ich die Lernziele anschließend recht gut überprüfen – egal ob die Lerninhalte durch die Präsenzlehre oder über die Literatur erlernt wurden. Natürlich freue ich mich, wenn trotzdem viele Studierende in die Vorlesung kommen.
  • In Seminaren sehe ich ständiges Fehlen von Studierenden schon problematischer. Es stellt sich mir die Frage: Wie kann eine kritische Auseinandersetzung mit dem Seminarthema – und natürlich der eigenen Haltung dazu – stattfinden, wenn das Seminar nicht besucht wird? Sicherlich, Mann und Frau können auch mit Kommilitionen am WG-Tisch über das Thema diskutieren, aber machen sie das auch? Und wie fließen die Erfahrungen der Dozierenden in die Diskussion ein? Schließlich gibt es ja einen Grund, warum jemand für kompetent befunden wurde dieses Seminarthema zu lehren.
  • Richtig schwer tue ich mich mit dem Verzicht auf Anwesenheit in der Projektarbeit. Ein Ziel ist hier das Arbeiten im Team zu erlernen. Wenn Free-Rider sich nur minimal an den gemeinsam zu bewältigen Aufgaben beteiligen, wie kann ich als Lehrender erfassen, ob diese im Team arbeiten können? Darüber hinaus demotivieren Free-Rider die aktiven Teammitglieder, da sie durch ihren kleinen Beitrag – der durchaus gut sein kann – vom gesamten Projektergebnis profitieren. Ihnen wird eine Leistung zugesprochen, die überwiegend von anderen Studierenden erbracht wurde. Dies dürfte prüfungsrechtlich gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen.

Es zeigte sich folglich, dass ich auf der Seite meiner Kollegen stand. Das machte es einfacher mich in das Thema reinzuhängen, was wiederum leichter gedacht, als getan war. Denn die Anwesenheitspflicht ist im Rahmen der bundesweiten Bologna-Proteste im Jahre 2009 zu einem Politikum geworden. In vielen Landesverfassungen ist sie inzwischen streng reglementiert und in Nordrhein-Westfalen gibt es inzwischen „Anwesenheitsmelder“ der Asta. Studierende haben hiermit die Möglichkeit online prüfen zu lassen, ob die ausgerufene Anwesenheitspflicht der Lehrenden rechtens ist. Für Bayern bedeutet die Reglementierung, dass ca. 8 % der Lehrzeit in einem Studiengang mit Anwesenheitspflicht versehen werden darf. Alles was darüber hinaus geht, wird vom Ministerium nicht stattgegeben.

Ein für mich ein krasser Gegensatz zu der Bologna immanenten Verschiebung von der reinen Wissensvermittlung hin zur Förderung der „Employability“ der Studierenden. Wie wollen wir Kompetenzen fördern und bewerten, wenn unsere Studierenden an den dafür bereitgestellten Lernumgebungen nicht partizipieren? Unsere Erkenntnisse zur Kompetenzförderung stehen hier im eklatanten Widerspruch zu den politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Eine entsprechende Diskussion halte ich für zwingend geboten. Auch eine rechtliche Prüfung solch widersprüchlicher Regelungen wäre wünschenswert.

Für das Modul „Interdisziplinäres Projekt“ stellte sich bei näherer Prüfung heraus, dass etliche beteiligte Studiengänge die 8 % Marke Anwesenheitspflicht ausgeschöpft haben. Damit war eine entsprechende Änderung nicht praktikabel. Um den Free-Ridern trotzdem Einhalt zu gebieten, haben die Lehrenden jedoch die Möglichkeit semesterbegleitend Prüfungsleistungen einzufordern. Unseren Lehrenden haben wir diese Vorgehensweise dann in einer kleinen Handreichung mit praktischen Beispielen empfohlen.

Für meine interdisziplinäre Projekte habe ich es so gelöst, dass es drei Projektphasen im Laufe des Semesters gibt, zu dessen jeweiligen Ende individuelle Prüfungsleistungen abgegeben werden müssen. In meiner Zeit in Hannover hatte sich diese Vorgehensweise sehr bewährt. Es ist darüber hinaus ein Kompromiss zwischen der Freiheit der Studierenden im Studium und der Notwendigkeit einer aktiven Teilnahme in den Projekten.

Unser Asta hat sich bezüglich dieser Regelung noch nicht endgültig geäußert. Ich hoffe aber, dass er die Vorteile für die Studierenden sieht: Mehr Prüfungsgerechtigkeit, da alle Studierenden gleichermaßen gefordert sind Prüfungsleistungen zu erbringen, und kein zu verfassender Projektbericht am Ende des Semsters, wenn es eigentlich gilt, sich auf die schriftlichen Prüfungen vorzubereiten.

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Wie komme ich zum Coburger Weg?

Jetzt ist meine erste Woche rum und ich hatte versprochen, den Übergang ein Stück weit zu dokumentieren. Erstens, weil es persönlich gut tut, wenn das viele Neue aufgearbeitet wird und zweitens, weil der Blick als Neuer auf die Gegebenheiten vor Ort noch ungetrübt ist. Letzteres hat den Vorteil, dass einem Eigenheiten schnell auffallen, aber wiederum den Nachteil, dass einem oft nicht klar ist, warum dem so ist. Mein Start stand deswegen unter den Prämissen Gespräche führen, Fragen stellen, Beobachten und Verknüpfen – oder mit einem Wort: Zuhören. Letzteres ist mir meistens, leider nicht immer gelungen. Der praktische Mensch in mir sucht zu gerne nach Lösungen, hierfür bildet er sich schnell eine Meinung. Es kostet mich dann Energie hiervon Abstand zu nehmen, um weiterhin unvoreingenommen den Gegenstand betrachten zu können.

Was aber gibt es von der ersten Woche zu berichten? Zuerst das Große und Ganze: Mein Eindruck, dass der Coburger Weg ein großes und ambitioniertes Projekt ist, welches sich mit seinen Projektergebnissen nicht verstecken muss, wurde durchweg bestätigt. Das bekräftigt meine Entscheidung nach Coburg zu gehen sehr und ich habe großen Respekt vor dem, was hier geschaffen wurde.

Den bisher größten Einblick habe ich in die Projektsäule „COnzept“ erhalten, von der ich in diesem Beitrag berichten möchte: In dieser Säule studieren die Studierenden in einem interdisziplinären Kontext und es partizipieren sieben Studiengänge aus drei Fakultäten. Mehr als 600 Erstsemester nehmen am ersten Modul „Interdisziplinäre Perspektiven“ (6 ECTS) teil. Auch das zweite und dritte Modul „Interdizipilinäres Projekt“ (2 mal 6 ECTS) wird gut angenommen und es sind eindrucksvolle Ergebnisse, dessen Dokumentation „Interdisziplinär studieren – Lösungsansätze für die Praxis“ ich sichten durfte. Diese Woche ist das vierte und letzte Modul „Interdisziplinäre Profilierung“ mit noch mal 6 ECTS fertig gestellt worden. Der erste Durchlauf kann damit auch hier beginnen.

Es ist selbstredend, dass ein großer Teil der im Projekt beantragten Personalressourcen in die Lehre fließen. Auch mein Lehrdeputat fließt in diese Module und ich bin angwiesen die Erziehungswissenschaften, die Didaktik und die Wissenschaftsmethoden als Lerninhalte für eine interdisziplinäre Lehre einzubringen. Ich geben zu, ich fühle mich gefordert und muss mir noch etliche Gedanken machen. Aber ich freue mich auch darauf, meine Ideen und Erfahrungen einfließen zu lassen.

Was ich als Projektleiter in unserem ebenfalls recht großen BMBF-Projekt eCULT (gleiche Förderlinie wie der Coburger Weg) beobachtet habe, finde ich auch hier wieder. Die Organisation eines solch großen Projektes, mit so unterschiedlichen Kompetenzen, Persönlichkeiten, vielen Mitarbeitern und einer für die Hochschullehre innovativen und damit ein Stück weit abstrakten Idee, ist eine echte Herausforderung. Hinzu kommt beim Coburger Weg die Abstimmung mit den Studiengängen, welche am Anfang zu wenig eingebunden wurden. Es bleibt nicht aus, dass viel Zeit für die Abstimmung der (Entscheidungs-)Prozesse aufgewendet wird. Ein besonders für die operativen Projektmitarbeiter sehr unangenehmer Vorgang, da Entscheidungen, auf die sie ihre inhaltliche Ausgestaltung der Arbeit ausrichten, oft revidiert werden. Aber auch hier sehe ich den Coburger Weg – im Bezug auf die Projektlaufzeit – gut entwickelt und bin guter Hoffnung, dass es weiter geht.

Alles in allem also eine sehr positive Wochenbilanz und ich glaube, den Coburger Weg gefunden zu haben 🙂

Herzlichen Dank an dieser Stelle an die vielen und netten neuen Kollegen für die offenen und persönlichen Gespräche. Ein beonderer Dank gilt außerdem all jenen, die mir mein Arbeitsumfeld (Büro, Computer, Telefon, Dienstausweis, …) vorbereitet haben, so dass ich sofort loslegen konnte. Und einen abschließenden ganz lieben Dank an die Lehrenden im Coburger Weg für das nette Einstiegsgeschenk!

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Video Literacy & Videos annotieren

Seit Verbreitung des Films zum Ende des 19. Jahrhunderts durch die Erfindung des Cinematographen hat dieser viele Evolutionen durchlaufen: 1927 wurde der erste Tonfilm angeboten, 1937 fand der Farbfilm den Weg in die Öffentlichkeit, ab Ende der 1960er Jahre verbreitete sich der Fernseher in der Bevölkerung. Während die Bevölkerung Anfangs nur wenige öffentlich-rechtliche Sender empfangen konnte wurde die Vielfalt durch private Fernsehsender ab 1984 vervielfacht. Zeitgleich fand der Videorecorder Verbreitung und ermöglichte es erstmals selbst zu wählen, wann und was für Filme gesehen werden. Ab Mitte der 2000er Jahre breitete sich das Video im Internet aus. Dies führte zu einer nicht gekannten Auswahl an Videos, denn während sich vorher alles um die zentrale Distribution von Filmen drehte, konnte auf einmal jeder ein Video im Internet publizieren und weltweit zugänglich machen. Das Equipment dafür lieferte das Jahrtausend gleich mit: Quasi jeder hat einen Computer und Zugang zum Internet. Mobilfunktelefone liefern schon im mittleren Preissegment für viele Zwecke verwertbare Videoaufnahmen.

Warum bediene ich mich solch eines technisch-historischen Einstiegs? Ich möchte auf die grundsätzlich veränderte Rolle des Films in unser Gegenwart aufmerksam machen: Während ich in meiner Jugend das Fernsehen, das Kino und den “Film in Wissenschaft und Unterricht” als ausschließliche Quelle des Films kennengelernt habe, sind unsere Studierenden heute anders Medien-sozialisiert. Neben dem Film als künstlerisches oder journalistisches Produkt, welches dem Konsum, der Information oder dem rezeptiven Lernen dient, sind sie mit der Möglichkeit groß geworden, selber Videos zu produzieren und zu publizieren. Die Liste ihrer Produkte ist lang: Sportliche Leistungen werden gefilmt und für dessen Nachahmung analysiert, Videos über Stricken zeigen die neusten Maschen und Mofatuning-Anleitungen finden sich im Internet genauso wie politische Diskussionen von schulischen Gruppen über aktuelle Ereignisse.

Das Video hält oft jene Ereignisse einfach fest, die Schrift-sprachlich aufwändig aufbereitet werden müssten. Außerdem ist ein Video authentisch, einfach nachzuvollziehen und transportiert Emotionen. Es ist eine Möglichkeit die Welt zu beschreiben, wie sie ist, wie sie war und wie sie sein könnte. Neben Rechnen und Lesen gilt für mich das Produzieren und Rezipieren von Videos heute als Kulturtechnik im weiterem Sinne. Frank Vohle hat hierfür den Begriff „video literacy“ vorgeschlagen, der gefällt mir.

Was umfasst solch eine „video literacy“? Hier könnte man sich den klassischen Taxonomien der Mediendidaktik bedienen, z.B. Baake. Ich will es aber bei den zwei schon geschriebenen Dimensionen belassen: a) Produzent: Ich kann einen Sachverhalt so in Szene setzen, produzieren und publizieren, dass die Intention sich bei meiner Zielgruppe (Rezipienten des Videos) entfalten kann. b) Rezipient: Ich kann die videographierte Darstellungsform (im Sinne einer Filmsprache) auf ihre Intention hin deuten und mich mit dem Video alleine oder mit anderen auseinandersetzen.

Wie eine kritische Auseinandersetzung mit Videos in der Lehre aussehen kann, damit beschäftigen wir uns gerade mit den Ghosttinkern. Denn die für eine gute Interpretation notwendige Diskussion über ein Video ist deutlich mühseliger als über mathematische oder Schrift-sprachliche Dokumente. Jede Rechnung auf einem Blatt Papier kann einfach nachvollzogen, annotiert und/oder korrigiert werden. Texte können nach dem gleichen Verfahren von Studierenden Zuhause gelesen und für die Diskussion aufbereitet werden. Videos hingegen lassen sich gewöhnlich nicht annotieren. Die einzige Möglichkeit ist es sich Zeitmarken herauszuschreiben und diese wieder aufzurufen. Deswegen setzen wir edu|break von den Ghostthinkern ein um Studierenden die Möglichkeit zu geben, intensiv mit Annotationen über ein Video diskutieren zu können. Ziel ist es so Lerninhalte aus Videos einerseits besser erschließen zu können, andererseits bei den Studierenden eine „video literacy“ zu fördern, die den Anforderungen der digitalen Wissensgesellschaft gerecht wird. Die ersten Erfahrungen damit fassen wir gerade in einen GMW Beitrag zusammen.

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Forschen Lernen & Lehren Meinungen

ZEITLast: 23 Zeitstunden Studium pro Woche?

Wir hatten am 6.5.11 die Ehre Prof. Rolf Schulmeister auf unserer Tagung „Gute Lehre, gutes Lernen“ zu Gast zu haben. Seine Anwesenheit war mit einer spannenden Keynote über das Thema „ZEITLast“ gekrönt. Schulmeister hat dort ausgiebig über die Ergebnisse jener BMBF-Studie berichtet, welche die tatsächliche zeitliche Inanspruchnahme des Studiums bei Studierenden erfasst hat. Die vielen interessanten Ergebnisse der Studie werden von einem zentralen Ergebnis überschattet: Gemäß der Studie studieren unsere Studenten im Schnitt 23 Zeitstunden pro Woche – deutlich weniger als vermutet. Mehr Infos zur Studie finden sich hier:

Schulmeisters Beitrag hat mir sehr gut gefallen, schließlich ist er ein toller Redner und die Offenlegung der Forschungsmethode schafft Übersicht. Die tägliche und dedizierte Erfassung der Lernzeit bei den Studierenden lässt auf ein solides Forschungshandwerk schließen. Ich vertraue folglich den vorgelegten Ergebnissen, zumal mir die Probleme der Studienzeiterfassung bei Studierenden aus eigenen Untersuchungen bekannt sind.

Ich möchte in diesem Beitrag aber nicht die Studie von Prof. Rolf Schulmeister, Christiane Metzger und weiteren Forschern wiedergeben, sondern danach fragen, was heißt es eigentlich 23 Zeitstunden pro Woche zu studieren? Ist studieren nur ein Halbtagsjob mit viel Freizeit?

Die Studie selbst zeigt sehr deutlich, dass unsere Studierenden das Studium als aufwändiger als 23 Zeitstunden pro Woche empfinden. Konfrontiert mit ihrer eigenen Lernzeiterfassung sind sie irritiert, da sie intuitiv deutlich mehr Zeit angegeben hätten (das ist im Übrigen jene Lernzeit, die von anderen Studien oft erfasst wird). Sie empfinden das Studium als Belastung, ja mintunter als äußerst stressig.

Denke ich an meine eigene Studienzeit, die ich ebenfalls durchaus als anstrengend empfunden habe, erinnere ich mich an einen Tag im zweiten Semester an dem wir 8 Unterrichtsstunden in Folge eine Mathematikvorlesung hatten. Das sind reell 6 Zeitstunden. Ich kann von mir und meinen Kommilitonen berichten: Danach geht nichts mehr. Bereits der vorletzte Vorlesungsblock ist mühselig, es bedarf einer äußersten Anstrengung den Ausführungen des Lehrenden zu folgen. Nach solch einem Tag haben wir nicht mehr gelernt.

Es scheint folglich so zu sein, dass die kognitive Belastung beim Lernen eine andere ist als einer routinierten Tätigkeit nachzugehen, ähnlich wie das Fliegen eines Überschallkampfflugzeugs oder das Unterrichten in der Schule. Denn beim Lernen müssen kognitive Strukturen verändert werden. Die Schlafforschung gibt uns Hinweise dazu, dass bei Lernenden im Säuglingsalter, aber auch bei Erwachsenen, Höchstarbeit geleistet wird.

Für mich stellen sich folglich andere Fragen: Was ist die kognitive Belastung, die Studierende ertragen? Führt diese zu nachhaltigem Lernen? Wie können wir die kognitive Belastung ggf. reduzieren – möglichst ohne auf Lernziele zu verzichten. Was heißt dies für die Lehre an einer Hochschule? Ein schlichter Vergleich der 23 Zeitstunden Lernzeit pro Woche mit einer tariflichen 40 Stundenwoche halte ich deswegen für abwegig.

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Keine Bildung ohne Medien! – Resümee

Wie im letzten Blogbeitrag bereits angekündigt, war ich auf dem Medienpädagogischen Kongress mit dem Thema „Keine Bildung ohne Medien!“ in Berlin. Der erste Tag war sehr interessant und es hat viel Spaß gemacht unter der Leitung von Silvia Sippel und Alexander Florian in der AG „Medienbildung in der Hochschule“ mitzuwirken. In Vorbereitung zum Kongress wurden von der AG bereits 12 Statements erarbeitet, die hier zusammengefasst eingesehen werden können.

Wir waren ca. 25 Teilnehmer in der AG und so ergab es sich, dass wir in zwei Kleingruppen gut unsere medienpädagogischen Forderungen erarbeiten konnten. Während die eine Gruppe eher die Förderung von Medienkompetenz im Auge hatte, war ich in der Gruppe, die Mediendidaktische Forderungen erarbeitet hat. Schön war es am Ende des Nachmittags, dass wir die Forderungen (siehe AG Medienbildung in der Hochschule) der beiden Gruppen sehr gut vereinbaren konnten. Wir haben uns bemüht konkret zu bleiben, es hätte aber auch konkreter sein können. Leider war am Schluss nicht mehr so viel Zeit, dass wir den Text hätten schärfen können. Trotzdem denke ich, dass er elementare Aspekte enthält, um das Thema Medienbildung in der Hochschule vorwärts zu bringen.

Für mich als Mediendidaktiker war die starke Präsenz jener Kollegen nicht zu übersehen, die für die Vermittlung einer adäquaten Medienkompetenz einstehen. Wir Mediendidaktiker bildeten definitiv eine Randgruppe. Damit einher wurde auf der Tagung Mediendidaktik nicht wirklich thematisiert, womit der zweite Tag der Veranstaltung für mich nicht so attraktiv war. Ich mache hier niemandem einen Vorwurf, denn erfahrungsgemäß liegt es ja auch daran, dass die Mediendidaktiker sich nicht hinreichend eingebracht haben.

Über die Wirkung der Veranstaltung in der Öffentlichkeit kann ich nicht viel sagen. Mir fehlen die Erfahrungen über die Medienwirksamkeit solch eines Events, um mir ein Urteil bilden zu können. Ich habe aber mitbekommen, dass die Organisatoren die Ergebnisse gezielt Politikern und Journalisten zukommen lassen werden. So hoffe ich, dass unsere Forderungen gehört, gelesen und umgesetzt werden.

Danke an dieser Stelle den Veranstaltern, insbesondere Prof. Dr. Horst Niesyto, dem Sprecher der Initiative, für den unermüdlichen Einsatz!