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Lernen & Lehren

Das erste Semester als „Prof.“

Einer der Gründe eine Professur an einer Hochschule anzunehmen war, weil ich sehr bewusst die Rolle als Hochschullehrer erleben wollte. Weg vom didaktischen Berater, dessen geringe Lehrverpflichtung – ich hatte in den letzten Jahren nur 2 SWS – im Format der Feiertagsdidaktik leidenschaftlich erfüllt wird, hin zum Lehrenden, der deutlich mehr SWS zu leisten hat und weiteren Verpflichtungen gegenübersteht. Meine Befürchtung, dass hochschuldidaktische Überlegungen in der Lehre dabei zu kurz kommen, hat sich ein Stück weit erfüllt. Aber fangen wir von vorne an:

18 SWS umfasst das Lehrdeputat in Bayern für eine Professur an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften. Meine Lehrverpflichtung reduzierte sich auf 14 SWS, weil ich 2 SWS Erlass für die Aufgaben als Studiendekan erhalte, weitere 2 SWS für die hochschuldidaktische Begleitung des Projektes „Der Coburger Weg„. Die Ämter geben Abwechslung, was schön ist, weniger Arbeit sind sie keinesfalls. U.a. bin ich als Studiendekan mit weiteren Kollegen dabei, einen neuen Studiengang vorzubereiten, um nur ein Beispiel der Aufgaben zu nennen. Die Funkstille hier im Blog und auf Twitter sind eine Folge der hohen Arbeitsbelastung. In meinen 14 SWS habe ich zwei Lehrveranstaltungen durchgeführt, dies allerdings mehrmals. D.h. viermal „Einführung ins wissenschaftliche Arbeiten“ und dreimal „Interdisziplinäre Persönlichkeitsentwicklung“.

Demnach waren „nur“ zwei Lehrveranstaltungen vorzubereiten, denn beide habe ich vorher noch nicht gehalten. Die Vorbereitungen sind bekanntermaßen mühselig und besonders beim Fach „Einführung ins wissenschaftliche Arbeiten“ habe ich deutlich mehr Zeit für die Vorbereitung benötigt, als ich dachte. Dies lag besonders daran, dass ich aus meiner Perspektive als Postdoc einen Einstieg erarbeiten musste, der von Studienanfängern bewältigt werden kann. Klassische didaktische Reduktion, keine einfache Aufgabe für ein Fach, was einem als Handwerkszeug geläufig ist, ich selber aber nie systematisch erlernt habe.

Ich bin wirklich froh, dass ich kein drittes Fach vorbereiten musste. Mir haben mehrere Kollegen berichtet, dass sie im ersten Semester ebenfalls eine reduzierte Anzahl an Stunden und Lehrveranstaltungen hatten. Das ist wirklich empfehlenswert, wenn man von seinen fachlichen und didaktischen Ansprüchen nicht zu viel Abschied nehmen will. Aber schauen wir dahin, wo ich von meinen Ansprüchen ein Stück weit Abstand nehmen musste:

  • Eingangsvoraussetzungen: Ein Problem von mir war, dass ich immer nur im Haupt-/Masterstudium oder in der Weiterbildung an der Universität gelehrt habe. Hinzu kam, dass die Studierenden interdisziplinär zusammengesetzt waren. Insgesamt kamen sie aus acht verschiedenen Studiengängen und das aus vier verschiedenen Fakultäten. Die Innenarchitekten waren genauso dabei wie die Soziale Arbeit und die Bioanalytik, um nur einige zu nennen. Damit war es schwierig abzuschätzen, was ich von Studienanfängern an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften erwarten konnte. Ein wenig hat mich mein persönlicher Werdegang dann geleitet. Ich konnte mich teilweise erinnern, was für Kenntnisse und Fertigkeiten ich nach Abschluss der „Fachhochschulreife“ hatte, bzw. im Eingang zu meinen beiden Studiengängen. Trotzdem: Es gab immer wieder Momente, wo ich die Studierenden unter- oder überfordert habe. Aus meiner Sicht hilft hier nur Erfahrung, das kann man nicht besser vorbereiten. Ich habe mir die kritischen Punkte notiert und werde sie zum nächsten WiSe einarbeiten.
  • Namen merken: In beiden Lehrveranstaltungen zusammen hatte ich es mit 150 verschiedenen Personen zu tun. Meinen langjährigen Vorsatz, die Lernenden beim Namen zu nennen, habe ich nach Sichtung der Listen über Bord geworfen – es waren einfach zu viele und ich kann mir Namen nicht besonders gut merken. Auch dadurch, dass Studierende nicht verlässlich in jeder Stunde anwesend sind, ist es schwer sich die Namen einzuprägen. Immerhin kannte ich am Ende des Semesters ungefähr 20 % der Studierenden und war froh, wenn ich alle auf dem Campus wiedererkannt habe. Hier sehe ich nicht, wie ich das mit einem vertretbaren Aufwand ändern kann. Ein Trost bleibt mir: Ich werde aus dieser Kohorte im 2, 3 und 6ten Semester noch Studierende haben. Dann kenne ich einige und die fehlenden Namen kann ich dann Semester für Semester erlernen.
  • Individuelles Feedback: Als Prüfungsleistung mussten unsere Studierenden u.a. einen wissenschaftlichen Text im Umfang von 3 Seiten verfassen und am Ende des Semesters zur Bewertung abgeben. Alle Studierenden hatten die Möglichkeit mir ihre Texte vor Weihnachten einzureichen. Diese habe ich dann gelesen und Verbesserungsvorschläge unterbreitet. Die Hälfte der Studierenden hat das in Anspruch genommen. Infolge des damit verbundenen Aufwandes hätte ich fast noch unterm Weihnachtsbaum und Silvester wie Neujahr korrigiert. Nächstes Jahr werde ich nur noch eine Seite zur Korrektur annehmen, das ist sonst kaum zu leisten. Ich will keinesfalls darauf verzichten, aber ein allumfassendes individuelles Feedback kann es bei so vielen Studierenden einfach nicht geben. Dafür hatte ich neben der Lehre im Semester viel zu viele weitere Aufgaben.
  • Didaktische Kreativität: Sich in ein Thema einarbeiten, didaktische Reduktion betreiben und erahnen, was den Studienanfängern abverlangt werden kann, ist fordernd. Je größer zum Semesterbegin dann der Handlungszwang wurde, die Lehrveranstaltung vorbereitet zu haben, desto mehr verfiel ich in eine scheinbare Routine: Ich bereitete die Lehre ein Stück weit so vor, wie ich sie als Studierender selbst erlebt hatte. Schöne Ansätze, wie z.B. das Problembasierte Lernen, habe ich dabei nicht mehr in Erwägung gezogen. Auch das heißt für mich in den kommenden Sommerferien „Nachsitzen“ und das vorliegende Lehrveranstaltungskonzept kreativ zu hinterfragen.

Es zeigt sich sehr gut, dass eine Lehrveranstaltung nicht mit dem einmaligen Vorbereiten endgültig ausgearbeitet ist. Die Ausarbeitung ist ein Prozess, der sich über mehrere Semester hinzieht. Während ich früher meine Lehrveranstaltung nach einem Semester eher abgerüstet habe, weil sie zu kreativ waren und zu viele Lernziele verfolgten, muss ich hier konstatieren: Es gilt noch aufzurüsten und es bleibt eine Menge finetuning. Bevor jetzt alle denken, es ist alles schief gelaufen: Neben all dem Verbesserungspotenzial bin ich trotzdem recht zufrieden mit der Durchführung und mit den Lernleistungen der Studierenden. Auch die Evaluation ist gut ausgefallen, was motiviert, die TO DO-Liste für das WiSe anzugehen und sich ins Zeug zu legen.

Abschließend werfe ich als didaktischer Berater einen Blick auf die gemachten Erfahrungen: Ich kann jetzt besser nachvollziehen, warum Lehrende zögerlich sind ihre Lehrveranstaltungen mit digitalen Medien oder aktivierenden Lehr-/Lernmethoden zu versehen. Sie scheuen davor Semester für Semester entwickelte und anschließend bewährte Konzepte zu „verschlimmbessern“. Für die didaktische Beratung wirft dies aus meiner Sicht eine wichtige Frage auf: Warum konzentrieren wir uns nicht auf die Neuberufenen bei der Entwicklung ihrer Lehrveranstaltungskonzepte, wenn diese am Anfang ihrer Planung stehen? Nach den hier dargelegten Erfahrungen ist dies ein strategischer Moment, den es für die Qualitätsverbesserung der Lehre zu nutzen gilt. Auch ich wäre für methodische Vorschläge bei der Lehrveranstaltungsplanung dankbar gewesen. Nicht, weil ich es nicht besser wusste, sondern weil die didaktische Kreativität unter dem Zeitdruck leidet. Ich bin mir sicher, entsprechende Ansätze und Erfahrungen gibt es bereits. Wer hier Tipps hat, „nur her damit“.

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Forschen Infos Rezensionen

Herausgegeben: „E-Assessments in der Hochschullehre“

Im Rahmen des N2E2-Projektes haben wir mit unserem Projektträger, dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK), vereinbart auf einen Abschlussbericht zu verzichten und statt dessen unsere Erfahrungen zu E-Assessments in der Hochschullehre für Hochschullehrende, Entscheidungsträger aber auch eLearning-Experten zu verschriftlichen. Im Sinne des MWK ist es Ziel des von Markus Schmees und mir herausgegebenen Sammelbandes einen einfachen Einstieg in das Thema zu ermöglichen, praktische Erfahrungen unterschiedlicher Hochschulen sichtbar zu machen sowie Forschungs- und Entwicklungsperspektiven aufzuzeigen. Dieses Ziel haben wir im Untertitel deutlich gemacht: Einführung, Positionen & Einsatzbeispiele. Für das Inhaltsverzeichnis und die Zusammenfassung sei hier auf die Web-Site des Peter Lang Verlages verwiesen.

Ich glaube uns ist der – nicht ganz einfache – Brückenschlag von der Theorie zur Praxis zur Forschung durchaus gelungen. Das Werk gibt damit einen Ein- und Überblick zu den vielen Facetten von E-Assessment in der Hochschullehre. Für die Vertiefung des Themas liefern die einzelnen Beiträge umfassende Literaturhinweise.

Einer meiner beiden Beiträge setzt sich mit der Professionalisierung didaktischer Beratung auseinander und geht einen Schritt weiter, als mein vorletzter Blogbeitrag „Didaktische Videoclips – nicht nur für die Beratung„. Der Titel lautet: „Hinwendung zu einer professionalisierten didaktischen Beratung. Begründung, Erkenntnisstand und Einsatzbeispiel“. Hier habe ich versucht das Thema didaktische Beratung einzugrenzen und so für zukünftige Arbeiten vorzubereiten. Zur Info nachfolgend der englischsprachige Abstrakt:

„This paper departs from the fact that numerous institutions for higher education make use of education consulting in order to promote e-assessment activities in teaching. It turns out that, even if specific consulting is offered, teaching staff are reluctant to apply e-assessment strategies in their lectures. This raises the question if education consultants need a professional qualification. In this chapter, we argue that this question deserves an affirmative answer. Moreover, we give a definition of the term education consulting and demonstrate a best practice example. We conclude that education consulting is still a young discipline that needs scientific research as well as hands-on experience.“

Über Feedback sowohl zu meinem Beitrag als zum Sammelband würde ich mich sehr freuen. Lob, Tadel und/oder Ergänzungen können gerne im Blog veröffentlicht werden.

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Ideen Infos Lernen & Lehren Projekte

Didaktische Videoclips – nicht nur für die Beratung

Die didaktische Beratung von Lehrenden ist für uns Medien- und Hochschuldidaktiker eine große Herausforderung, denn Lehrende sind vorsichtig beim Annehmen eines Rates. Dazu haben die Lehrenden ein gutes Recht, denn der Beratende kennt die Lehr-/Lernbedingungen nicht und beherrscht meist auch das gelehrte Fach nicht. Wie soll er aus Sicht der Lehrenden dann einen konstruktiven Beitrag zur Optimierung der Lehre leisten? Damit Beratung zum Erfolg führt bedienen wir uns jedoch einer Vorgehensweise, die diese Rahmenbedingungen berücksichtigt und ähnlich auch in anderen Beratungsfeldern üblichen ist:

  1. Die Beratung beginnt mit einem Frage- und Antwortdialog, wodurch sich der Beratende in den Lehrenden sowie in seine Lehre hineinversetzt.
  2. Anhand der dabei gewonnenen Erkenntnisse identifiziert sie oder er aus einem Repertoire an Methoden & Medien jene, die dessen Lehre unterstützen können.
  3. Die passenden Methoden & Medien muss der Beratende überzeugend vorstellen und dann
  4. wiederum mit dem Lehrenden diskutieren, ob der Vorschlag ein praktikabler Ansatz für seine Lehre ist.
  5. Dieser Prozess wird so lange wiederholt, bis für den Lehrenden eine oder mehrere didaktische Ansätze identifiziert werden konnten und…

… die Beratung weitergeführt werden kann. Denn danach gilt es die Lehre auf die neuen didaktischen Ansätze vorzubereiten, durchzuführen und anschließend dessen Wirksamkeit zu evaluieren. Auf diese Schritte möchte ich hier nicht weiter eingehen, sondern den Blick auf die Schritte 1. bis 4. lenken. Denn die Beratung bedarf hier viel Empathie, Kreativität, Moderationstechniken und des Transfers didaktischer Kenntnisse – eine kognitiv sehr anstrengende Tätigkeit. Um den Beratenden zu unterstützen haben wir im N2E2-Projekt überlegt, welche Werkzeuge ihr oder ihm dabei an die Hand gegeben werden können.

Schnell wurde in der Diskussion der Schritt 3. als jener im Beratungsprozess identifiziert, der einer Unterstützung bedarf. Denn das Vorstellen eines didaktischen Ansatzes kann vom Beratenden nur sehr eindimensional erfolgen: Er kann die Methode und das Medium prinzipiell erklären und versichern, dass dies ein wirkungsvoller Ansatz ist. Er kann aber nicht authentisch die Meinung eines Lehrenden wiedergeben, zeigen, wie die Studierenden im Lehr-/Lernprozess mit dem didaktischen Ansatz umgehen und wie sich das Zusammenspiel Lehrender, Studierende, Methode und Medium darstellt. All das kann jedoch mit einem „didaktischen Videoclip“ geleistet werden, wofür ich nachfolgend ein Beispiel eingebunden habe:

Weitere Beispiele können im elsa Didaktik YouTube-Kanal abgerufen werden und sind per Creative Commons für eine nichtkommerzielle Wiederverwendung freigegeben.

Unsere didaktischen Videoclips haben ein immer wiederkehrendes Format: Lehrende werden zu einem didaktischen Ansatz befragt, dieser wird anhand des gefilmten Lehr-/Lerngeschehens expliziert und abschließend werden der Lehrende – und ggf. auch Studierende – um ein Statement gebeten. Solch eine Informationsverdichtung und Authentizität kann ein didaktisch Beratender nicht leisten.

Meine Erfahrungen mit den didaktischen Videoclips sind durchweg positiv. Sie geben den Lehrenden den gewünschten authentischen Einblick in den Lehr-/Lernprozess und dem Beratenden eine kleine Pause während der Beratung. Für mich fühlt es sich an, wie ein sehr kraftvolles Werkzeug und es scheint, dass der Beratungserfolg höher ist als ohne Videoclip. Untersuchungen zur Wirksamkeit habe ich nicht zu bieten, hier identifiziert sich folglich ein Forschungsthema. Der Blick auf die Kosten zeigt, dass durchschnittlich 2 Arbeitswochen (80 Zeitstunden) für die Produktion eines didaktischen Videoclips zu kalkulieren sind. Für eine einzelne Beratungsstelle hohe Kosten. Es empfiehlt sich mit mehreren Beratungsstellen zusammen didaktische Videoclips zu produzieren und diese gemeinsam zu nutzen.

Zu guter Letzt: Ich habe die Begründung „für“ didaktische Videoclips anhand der Anforderungen in der didaktischen Beratung vorgenommen. Sie dienen uns darüber hinaus, um auf Web-Seiten Methoden & Medien vorzustellen sowie Informationsveranstaltungen für Lehrende mit praktischen Beispielen aufzulockern. Auch hier halte ich sie für ein wichtiges Werkzeug, um die Lehrenden zu motivieren neue Methoden & Medien einzusetzen und dadurch die Qualität der Lehre nachhaltig zu verbessern.