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In-Class-Flip erfolgreich gestalten

Ich gebe zu, als sich der Flipped Classroom (auch als Inverted Classroom bezeichnet) in der ersten Hälfte der 2010er Jahren als Lehr-/Lernszenario verbreitete, war ich einerseits nicht überrascht, anderseits nicht sehr erbaut darüber. Überrascht war ich deswegen nicht, weil die Idee zur Verlagerung des Lehrerreferats aus dem Klassenzimmer in ein Video naheliegt: Der einmal aufgezeichnete Vortrag wird im Unterricht vom Video übernommen, der Lehrende muss dann nicht mehr referieren und hat Zeit, sich der Betreuung der Lernenden zu widmen – so die Idee. Es war zu erwarten, dass durch die einfacher werdende Produktion und Distribution von Videos gewiefte Kollegen dieses Lehr-/Lernszenario bei Zeiten für sich entdecken.

Als ich 2002 angefangen habe mich damit zu beschäftigen, gab es bereits einige Lehrende, die dies in der Hochschullehre ausprobiert (z.B. eTEACH von Foertsch, Moses, Strikwerda, Litzkow, 2002) und die Tücken dargelegt haben. Ein Problem ist, dass die Lernenden die Videos zuhause nicht anschauen, ein anderes, dass sich im Präsenzunterricht nicht die gewünschte Diskussion einstellt. Das Lehr-/Lernszenario wurde in den 2000er Jahren regelmäßig ausprobiert und es stellten sich immer wieder die gleichen Probleme ein (z.B. Demetriadis & Pombortis, 2007). Entsprechend bin ich nicht sehr erbaut gewesen, dass es auf einmal ohne Wenn und Aber gehypt wurde, auch wenn ich der Überzeugung bin, dass es gute – aber eher wissenschafts- oder fachdidaktische – Lösungen für die hier skizzierten Probleme gibt.

Auch ich habe mit dem Flipped Classroom experimentiert und die dabei gemachten Erfahrungen zum Anlass genommen, ihn weiterzuentwickeln. Dabei war es ein Anliegen in der häufig instruktional praktizierten Technikausbildung – Facharbeiter und Ingenieure gleichermaßen – Freiräume für das selbstgesteuerte und kooperative Lernen zu schaffen. Die Intention war entsprechende Kompetenzen durch selbstgesteuerte und kooperative Lernhandlungen zu fördern, was ich in meiner Dissertation sowohl quantitativ als auch qualitativ anhand von Videostudien untersucht habe (Krüger, 2011). Das hierbei entwickelte Lehr-/Lernszenario habe ich „VideoLern“ genannt, was für „auf Vortragsaufzeichnungen basierendes selbstgesteuertes und kooperatives Lernen steht.“ Es gleicht nach meiner Recherche dem Lehr-/Lernszenario „In-Class-Flip“, welches derzeit Verbreitung findet und als eine besondere Form des Flipped Classrooms zu bewerten ist.

Meine FuE-Arbeit hatte dabei das erklärte Ziel auf Basis des Design-based Research Ansatzes möglichst fundierte Empfehlungen für die Gestaltung von VideoLern zu erarbeiten, worauf ich mit diesem Beitrag hinweisen möchte. Denn diese Gestaltungsempfehlungen, aber auch die dargelegten Mehrwerte, das Didaktische Design sowie Praxisbeispiele finden sich in meiner Arbeit und bieten den Lehrenden beim „In-Class-Flippen“ wertvolle Hinweise für dessen erfolgreiche Durchführung.

  • Demetriadis, S. & Pombortsis, A. (2007). e-Lectures for Flexible Learning: a Study on their Learning Efficiency. Educational Technology & Society, 10 (2), 147-157.
  • Foertsch, J., Moses, G., Strikwerda, J. & Litzkow, M. (2002). Reversing the lecture/homework paradigm using eTEACH web-based streaming video software. Journal of Engineering Education, 91 (3), 267-274.
  • Krüger, M. (2011). Selbstgesteuertes und kooperatives Lernen mit Vorlesungsaufzeichnungen. Das Lernszenario VideoLern – Eine Design-Based-Research-Studie. Verlag Werner Hülsbusch, Boizenburg. Als Dissertation kostenlos hier abrufbar.